
Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann
Die Fingernägel grün lackiert, ein Hauch von Rouge auf den Wangen, ein Röckchen kess wippend: so lässt Regisseur André Schäfer in seinem Film Thomas Mann – Literatur-Nobelpreisträger, wichtigste Exil-Stimme deutscher Sprache während der NS-Diktatur und Inbegriff des Bildungsbürgers – durch seinen Film schlendern. Ein Frevel? Eine Anmaßung? Oder zeichnet der Regisseur hier Manns literarisches Alter Ego, den Hochstapler Felix Krull, in bunten Farben?

Tatsächlich ist die Spiel-Doku ein flirrendes Vexierspiel, in dem der Dichter und seine literarische Figur miteinander verschmelzen: ein Film über die Angst des Schriftstellers vor seinem Werk, Obsessionen und unterdrücktes homosexuelles Begehren, im ORF zu sehen im Pride-Month anlässlich des 150. Geburtstages Thomas Manns.

Im Frühjahr 1905 macht Thomas Mann erste Notizen zu einem Romanprojekt, das ihn ein knappes halbes Jahrhundert in Beschlag nehmen wird. Immer wieder versenkt er es in der Schublade, zieht andere gewichtige Arbeiten vor, ja, scheint sich auf seltsame Art vor den „Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull“ zu fürchten. Ist ihm die Figur des Schelms und Charmeurs, der immer wieder neue Identitäten überstreift, zu nahe? Verbirgt er sich hinter ihr? 1954 sind der „Memoiren erster Teil“ endlich abgeschlossen. Eine Fortsetzung erscheint nicht, ein Jahr später stirbt Thomas Mann in der Schweiz.

In keinem seiner Romane ist so unverstellt von homosexuellen Begehren die Sprache. Ein Begehren, dem Mann nie nachgegeben hat, wie in seinen posthum erschienenen Tagbüchern nachzulesen ist. Während Krull wie ein Magnet die Elite anzieht, täuscht, verführt und sich als erfolgreicher Hochstapler inszeniert, ringt Thomas Mann mit seinen inneren Konflikten: er sehnt sich nach Anerkennung, verbirgt seine wahre Identität, ist stets bemüht, die Rolle des untadeligen Familienvaters zu spielen.

Die Lebenswege von Mann und Krull verwebt André Schäfer zu einer fesselnden Reise durch Exil, Selbstinszenierung und die bittersüße Kunst des Verstellens. Aus einem Kaleidoskop aus Originalzitaten und fiktionalen Szenen entsteht mit feiner Ironie eine cineastische Hommage an den Menschen hinter dem Mythos Thomas Mann und den Hochstapler in jedem von uns.

Schauspieler Sebastian Schneider schlüpft sinnlich und charismatisch in die oszillierende Doppelrolle Thomas Mann/Felix Krull.
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