
Auslegung der Wirklichkeit - Georg Stefan Troller
Georg Stefan Troller, eine Lichtgestalt des Journalismus starb am Samstag mit 103 Jahren in Paris. Als Dokumentarist, Schriftsteller, Fernsehreporter, Drehbuchautor und Regisseur hat er weltweit eine ganze Generation von Journalist*innen und Filmschaffenden geprägt.
Augenhöhe, Respekt und Empathie waren die Maximen, an denen er sein Schaffen und seine Begegnungen mit Menschen ausrichtete – und die bis heute weiterwirken.

Heimat hatte Georg Stefan Troller keine mehr. Am 10. Dezember 1921 in Wien geboren, musste er 1938 fliehen – zunächst wurde er zum Österreicher in Amerika, später zum Amerikaner in Paris. 19 Angehörige seiner Familie wurden im Holocaust ermordet. Das Wissen darum und das Überleben selbst begleiteten ihn zeitlebens mit tiefen Schuldgefühlen.
Sprache, Bild und Film wurden für ihn Werkzeuge, um die Wunden seiner Vergangenheit zu bearbeiten – die Darstellung des Lebens als Ersatz für das unmittelbare Erleben.

Jahrzehntelang belieferte er deutsche Fernsehanstalten mit seinen Werken. Mit seiner langjährigen TV-Filmreihe „Personenbeschreibungen“ setzte er neue Maßstäbe in der Kunst, Menschen zu interviewen. Er porträtierte Promis und Wohlsituierte ebenso wie gescheiterte oder gehandicapte Menschen. Immer ging es ihm darum, von anderen zu erfahren, wie sie Probleme meistern, ihr Schicksal bewältigen. „Heilung von außen nach innen“, so nannte er es, umgekehrt zur Psychoanalyse.

Zum Andenken an Georg Stefan Troller zeigt der ORF die Dokumentation „Auslegung der Wirklichkeit“ in der der „Meister der Interviewführung“ selbst zum Befragten wird. Gemeinsam mit dem Kamerateam, betritt er in Wien die arisierte Wohnung, wo er mit seinen Eltern lebte, deren Bücherregal und Bücher er dort noch entdeckt.

Er besucht sein Gymnasium und die Buchbinderei, wo er eine Lehre statt Matura machen musste, weil er „ausgeschult“ worden war. Und er sitzt im Metro-Kino, wo er Ausschnitte aus seinen Werken kommentiert.
Ein weiterer Schauplatz ist Dachau, wohin er 1945 als amerikanischer Soldat und Befreier kommt und als Übersetzer das Ausmaß des Grauens erfasst.
In seiner Wohnung in Paris schließlich reflektiert er über seinen ereignisreichen Werdegang, seine Arbeit und wie beides miteinander verwoben ist.

Charismatisch, voller Weisheit, Charme und Witz offenbarte Georg Stefan Troller der Regisseurin Ruth Rieser den Antrieb hinter seinem lebenslangen Schaffen: Das Trauma des Holocaust zu überwinden und von anderen Menschen zu lernen, „wie man ein Mensch wird“.
Der Film zeichnet das bewegende Porträt eines außergewöhnlichen Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts – dessen Werk und Haltung weit über sein eigenes Leben hinaus weiterwirken.
In Zusammenarbeit mit dem ORF aus Mitteln des Film-/Fernseh-Abkommens, hergestellt.
Regie
Ruth Rieser
Link:
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