Eine Animation/Grafik zeigt die berühmte Skulptur des „David“ von Michelangelo mit halb heruntergelassenen Jeans
ORF/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
Eine Animation/Grafik zeigt die berühmte Skulptur des „David“ von Michelangelo mit halb heruntergelassenen Jeans
dokFilm

Ars erotica - Die Kunst der Enthüllung

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Kulturwissenschaftler und Filmemacher Patrick Catuz entführt in einer neuen ORF-Koproduktion zu einer enthüllenden Zeitreise durch die Ars Erotica.

Die Story machte vor einigen Jahren international Schlagzeilen: In Florida wurde eine Lehrerin entlassen, weil sie im Unterricht ein Bild von Michelangelos nacktem David zeigte. Die Zeiten werden verschämter, nicht nur in den USA. Es ist freilich ein absurdes Missverständnis, eine Ikone der Renaissance mit Pornografie zu verwechseln. Diese ist indes im Internetzeitalter stets nur wenige Mausklicks entfernt.

Eine Animation/Grafik zeigt eine ältere Dame, die ein Bild mit zwei großen Blüten vor das bekannte Gemälde „Der Ursprung der Welt“ von Gustave Courbet aus dem Jahr 1866 hält
ORF/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
Eine Animation/Grafik zeigt eine ältere Dame, die ein Bild mit zwei großen Blüten vor das bekannte Gemälde „Der Ursprung der Welt“ von Gustave Courbet aus dem Jahr 1866 hält

Kann unter solchen Bedingungen erotische Kunst noch gedeihen oder wird sie gar umso kostbarer? Wie hat sie sich im Laufe der Jahrhunderte verändert? Was vermögen Bildende Kunst, Film und Literatur über wechselnde Moralvorstellungen im Besonderen und über die condition humaine im Allgemeinen zu erzählen? Und wo liegt die Schwelle zum Tabu?

Eine Animation/Grafik zeigt die bekannte rund 26.500 Jahre alte altsteinzeitliche Venusfigurine „Venus von Willendorf“ hoch in den Wolken
ORF/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
Eine Animation/Grafik zeigt die bekannte rund 26.500 Jahre alte altsteinzeitliche Venusfigurine „Venus von Willendorf“ hoch in den Wolken

Die Darstellung des nackten menschlichen Körpers, in perfekter Proportion aus Marmor gemeißelt, war in der Antike Sinnbild für Harmonie in der Welt. Die alten Römer, sie trieben es zum Teil noch toller: bei den Grabungsarbeiten von Pompeji wurden Wandmalereien entdeckt, die eindeutiger nicht sein könnten, viele Alltagsgegenstände waren mit Phalli ausgestattet. Dann eroberte das Christentum mit seiner Vorstellung von Sünde Europa – und schlug vielen Statuen die Nasen ab. Dahinter lag die Vorstellung, so könnten im Inneren eingeschlossene Dämonen entfleuchen. Im Laufe der Kunstgeschichte waren es fast immer Männer, die nackte Frauen malten.

Die bildende Künstlerin Julia Bugram bei der Arbeit
ORF/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
In ihrer Arbeit hat sich die bildende Künstlerin Julia Bugram besonders mit dem Akt auseinandergesetzt, der traditionell von einem männlichen Künstler mit Blick auf ein nacktes weibliches Modell verstanden wird. Ihre Arbeiten sind ein Kommentar auf dieses Jahrhunderte alte Stereotyp.

Selbst heute, da es an den Kunstschulen weit mehr weibliche Absolventinnen gibt, dominiert der männliche Blick. Oft florierten provokante Darstellungen dort, wo die moralischen Schranken am engsten gesetzt waren, das war in Japan nicht anders. In der Edo-Zeit ab dem frühen 17. Jahrhundert erlebten dort Wirtschaft, Kunst und Kultur eine Blüte. Es kam aber auch zu starken Restriktionen in einem rigiden Ständesystem. Dagegen wurde aufbegehrt, und zwar mit Darstellungen, die den Sittlichkeitsvorstellungen explizit widersprachen. Diese traditionellen japanischen Holzschnitte nennt man „Shunga“. Das heißt so viel wie „Frühlingsbilder“.

Interviewsetting mit Camille Emmanuelle
ORF/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
Camille Emmanuelle ist eine französische Autorin und Journalistin, die vor allem für ihre Arbeit zu Themen wie Sexualität, Gender und Feminismus bekannt ist. Neben ihrer literarischen und journalistischen Karriere hat sie sich zur Sextherapeutin ausbilden lassen und arbeitete für verschiedene Medien.

Solange sie nicht holzschnittartig und banal geschrieben ist, kann die Schilderung von Sexualität durchaus gute Literatur ausmachen. „Geschichte der O.“ von Anne Desclos ist mittlerweile ein Klassiker des Genres. Für ein Erdbeben in Frankreichs Literaturszene sorgte Virginie Despentes´ schonungslos radikaler Roman „Baise-moi – Fick mich“. Die Autorin wurde gleichermaßen skandalisiert wie als Feministin gefeiert.

Eine Animation/Grafik zeigt eine Gruppe von Männern in den 1920er Jahren, die sich im Rahmen eines Herrenabends einen „Vintage Porn“ ansehen
ORF/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
Eine Animation/Grafik zeigt eine Gruppe von Männern in den 1920er Jahren, die sich im Rahmen eines Herrenabends einen „Vintage Porn“ ansehen

Erotik oder auch die Darstellung von Sex gibt es im Film, seit die Bilder laufen lernten. Zunächst wurde Schlüpfriges in Bordellen oder auf so genannten Herrenpartys gezeigt. Das junge Hollywood zeigt sich erstaunlich offenherzig, bis der berüchtigte Hays-Code dem Treiben einen Riegel vorschob. Das puritanische Regelwerk verbot etwa Küsse über drei Sekunden oder laszive Tänze.

Die Kunsthistorikerin Nadeije Laneyrie-Dagen vor der Skulptur von Künstlerin Nicola L.. "Little TV Woman: I Am the Last Woman Object"
ORF/Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
Die Kunsthistorikerin Nadeije Laneyrie-Dagen vor der Skulptur von Künstlerin Nicola L.. "Little TV Woman: I Am the Last Woman Object"

Irgendwann fiel der Code und in den 1970er-Jahren wurden sogar Pornofilme in regulären Programmkinos gezeigt. Mittlerweile gibt sich die Traumfabrik wieder bedeckter. Dafür produzieren Frauen heute Pornos, die andere Frauen nicht kapitalisieren und Wert auf Ästhetik legen.

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