Architektur macht Schule
Seit der Bildungsreform 2017 hat sich an Österreichs Schulen einiges verändert. Die Lehrkräfte können ihren Unterricht ganz nach den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gestalten. Die Pausenglocke ist vielerorts verstummt. Doch die neuen Lehrmethoden, die Abkehr vom Frontalunterricht hin zum freien Lernen in Kleingruppen erfordern nicht nur engagierte PädagogInnen, sondern auch eine neue Schularchitektur. Fünf Beispiele innovativer Lernlandschaften hat Nicola Eller für ihre TV-Dokumentation im Sommer 2022 besucht.
In Österreich sind in den letzten zehn Jahren zahlreiche hervorragende Bauten für die Bildung von Kindern und Jugendlichen entstanden. Die „Gang-Schule“ ist Geschichte. Das Lernen findet in und vor den Klassenzimmern statt. Drei bis vier Klassen teilen sich eine gemeinsame Mitte, in der gelernt, aber auch gespielt und zu Mittag gegessen werden kann. In den sogenannten Cluster-Schulen sind die LehrerInnen Manager von Kleingruppen, die SchülerInnen entscheiden, wo und mit wem sie im Team arbeiten wollen. Das funktioniert nur mit transparenten und überschaubaren Räumen, in denen die Pädagoginnen ihrer Aufsichtspflicht nachkommen können.
„Es ist nicht alles aus Beton, sondern du siehst, was draußen geschieht und das gibt dir ein besseres Gefühl“. Seyma Toy ist Schülerin und Schulsprecherin im Bildungscampus Sonnwendviertel in Wien. Ein Pionierprojekt der Architekten PPAG, in der jede Klasse nicht nur Wände aus Glas, sondern auch einen Zugang ins Freie hat.
Viele Bildungsbauten sind heute Ganztagsschulen, die den Kindern und Jugendlichen, vor allem aus sozial schwächeren Familien, eine zweite Heimat bieten. Im Campus Sonnwendviertel und im Campus Schendlingen in Vorarlberg, beides Cluster-Schulen mit einem hohen Anteil von SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache, herrscht ein familiäres Klima. Natürliche und nachhaltige Materialien wie Holz und Schafwolle tragen wesentlich zur Wohlfühlatmosphäre bei.
Die Grenzen zwischen Innen und Außen sind in den modernen Schulbauten fließend. Die Volksschule Dorf, im Vorarlberger Lauterach der Architekten Feyferlik Fritzer bietet jedem Kind einen barrierefreien Blick in die Umgebung. Als die Klassen während der Corona-Pandemie nicht gemischt werden durften, konnten sich SchülerInnen durch die verglasten Räume zumindest sehen.
Noch einfacher war es im Campus Neustift in Tirol. Dort können die Schülerinnen sogar auf dem begrünten Dach lernen.
Im Agrarbildungszentrum Salzkammergut lernen die SchülerInnen in und mit der Natur. Fast alles ist in diesem Passivhaus aus heimischer Weißtanne. Das Holz wirkt beruhigend und inspiriert die kommenden Landwirtinnen, Floristen und Restaurant-Fachleute.
Am 16.9.22 endet die zehnwöchige Begutachtung der neuen Lehrpläne für die Volksschule, Mittelschule und AHS-Unterstufe. Das selbständige Lernen und kritische Urteilsvermögen der Schülerinnen und Schüler stehen im Vordergrund der neuen pädagogischen Konzepte. Doch ob und wie sie die Lehrerinnen und Lehrer in den alten Schulbauten umsetzen können, ist fraglich. „Wenn wir freies Lernen und Projektunterricht betreiben wollen, dann tun wir uns in den bestehenden neun mal sieben Meter großen Klassenzimmern schwer“, meint Georg Poduschka von PPAG. Diese Größe beruht noch immer auf einer, 1774 von Kaiserin Maria Theresia ausgehenden, Richtlinie. Bis ins Jahr 2010 wurden fast alle Klassenräume mit den damals eingeführten Maßen gebaut. Mit der neuen Schularchitektur kommt Bewegung in die Bildungslandschaft.
Links:
- Bildungscampus Sonnwendviertel
- Campus Schendlingen
- Volksschule Dorf - Lauterach
- Agrarbildungszentrum Salzkammergut
- kulturMontag