Die Freiheit des Denkens
Wer von der „Banalität des Bösen“ spricht, zitiert damit - oft, ohne es zu wissen - die große Denkerin Hannah Arendt. Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema, ihre Aufgabe als politische Denkerin sah die einflussreiche, scharfsinnige wie streitbare Zeitgenossin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Auch 50 Jahre nach ihrem Tod ist sie im öffentlichen Diskurs präsenter denn je, ihre Schriften werden nach wie vor gelesen und zitiert, neue Bücher über die politisch-philosophische Publizistin erscheinen.

Als junge, jüdische Frau musste sie 1933 vor den Nationalsozialisten flüchten und ihre deutsche Heimat verlassen. Die Auseinandersetzung mit dem Wesen der totalitären Diktatur ließ sie nicht mehr los. Sie war überzeugt: „Der Totalitarismus vergiftet die Gesellschaft bis ins Mark“. Im amerikanischen Exil wurde sie zu einer der wichtigsten politischen Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts, dessen politische Umwälzungen ihren Lebensweg prägten. Bis zur Einbürgerung in den USA 1951 war sie staatenlos. Von der massenhaften Ermordung der Juden erfuhr Arendt 1943 in ihrem New Yorker Exil. Die „konsequenteste Institution totaler Herrschaft“ sah sie in den NS-Konzentrationslagern - den „Vernichtungsfabriken“, in denen Millionen Menschen ermordet wurden.

Im Jahr 1961 erhielt Arendt Gelegenheit, Adolf Eichmann, einen der Hauptverantwortlichen für die Organisation des Holocaust aus der Nähe zu erleben. Mit ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“ löste sie eine Kontroverse aus. Denn Kritiker sahen darin eine Verharmlosung des NS-Täters, was aber nicht der Intention der Autorin entsprach. Ihre Analysen wirken erstaunlich aktuell, als seien ihre Überlegungen für unsere Gegenwart geschrieben. Bis heute ist Hannah Arendt die einzige Frau, die neben unzähligen Männern weltweit, als Referenz in der Politikwissenschaft und politischen Philosophie anerkannt wird.
TV-Beitrag: Günter Kaindlstorfer