Die Festwochen-Debatte
„Wien muss brennen!“ - kündigte Milo Rau 2023 als neuer Intendant der Wiener Festwochen an, als er eine “Freie Republik” ausrief. Das angeschlagene Festival holte er mit jeder Menge Kunstideen und Aktionismus wieder ins Rampenlicht und positionierte es als politisches Forum. Mit seinen Arbeiten sprengte er die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, Aktivismus und Kunst, erreichte ein neues Publikum und mehr als 90 % Auslastung. Frischen Wind brachte er mit seinen beiden Ausgaben in die Stadt, scharfer Wind weht ihm derzeit entgegen.

Sein Manifest „Widerstand jetzt – Brief an meine Freund:innen“, das der 48-jährige Schweizer Theatermacher auf der Homepage der Wiener Festwochen veröffentlichte, löst heftige Debatten in der Kulturszene aus. Anfang Oktober forderte Rau von der Kulturbranche, das Schweigen über den „laufenden Völkermord in Gaza“ endlich zu beenden und griff zudem zu einem historischen Vergleich: Das Verhalten der Intellektuellen im Gaza-Krieg ähnle der Passivität, mit der man auch den Holocaust ausgesessen habe, schreibt er.
Widerstand formierte sich, der zwei Tage vor Freilassung der Geiseln in einem prominenten „Kollektiv“ ein Sprachrohr gefunden hat.

Elfriede Jelinek und 14 namhafte Kunstschaffende wie der Autor Michael Köhlmeier wehren sich in einem offenen Brief mit dem Titel „Wir schweigen auch nicht“ gegen die Unterstellung.

Sie kritisieren Raus „Aufruf“ aufs Schärfste.

Der jüdische Theatermacher Airan Berg konterte mit einem eigenen offenen Brief. Darin wirft er Milo Rau vor, eine „öffentlich geförderte Institution zur Tribüne einer einseitigen Agitation zu machen“.
Dass der Festwochen-Intendant den „moralischen Zeigefinger gegen das verbale Schwert eingetauscht habe“ ruft auch die Wiener Oppositionsparteien der Stadtregierung auf den Plan. Während die ÖVP mahnt, die Wiener Festwochen dürfen nicht zur Bühne für politische Agitation werden, fordert die FPÖ Milo Raus Rücktritt. Hat sich der Theatermacher und Mahner gegen Unrecht und Unmenschlichkeit mit seinem Statement zum Nahen Osten isoliert? Wie politisch darf Kunst sein? Darf sie aggressiv sein, übertreiben, die Wirklichkeit verzerren? Und wo liegen die Grenzen?
Der kulturMONTAG hat sich umgehört.
TV-Beitrag: Sophie Weilandt