Gschissener, Deppada, Voitrottel
Als es im November 2020 in Wien zu dem islamistisch motivierten Terroranschlag kam, reagierte ein Anrainer mit Wut und Verachtung. Sein „Schleich di, du Oaschloch“ wurde auf einem Amateurvideo verewigt und wurde später zum österreichischen Spruch des Jahres geadelt.
Dass in Wien nicht nur die holde Kunst hochgehalten wird, sondern auch tiefe Sprüche, Vulgäres und Obszönes, das weiß man hierzulande spätestens seit Ernst Hinterbergers Kultfigur „Mundl“ aus der TV-Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“. Während Edmund Sackbauer sein Umfeld als „Nudlaug“ oder „Trottel, depperter“ beflegelte, zog Peter Handke in seiner legendären „Publikumsbeschimpfung“ mit „Ihr Rotzlecker, ihr Gernegrosse, ihr Schrumpfgermanen“ ordentlich vom Leder. Der damals 23-jährige Schriftsteller brachte damit seine Wut auf die Altnazis auf den Punkt und seine verstörende Schimpftirade verschaffte ihm den Durchbruch.
Doch nicht nur in Österreich wird gelästert und gekeift, denn Fluchen ist ein weltweites linguistisches Phänomen. Entlarvend ist der Sprachvergleich. Während in unseren Breitengraden fäkal-anale Ausdrücke dominieren, sind etwa im Nahen Osten die Verwandten-Beleidigungen angesagt, in frommen Ländern wie Italien oder Polen herrscht Blasphemisches vor.
„Porco Dio“ oder „What the fuck“ – dass Schimpfen keine Schande ist, weiß die Sprachwissenschaftlerin und Schimpfforscherin Oksana Havryliv von der Universität Wien. Ihr Fachgebiet: die Malediktologie, die Wissenschaft des Fluchens. Seit mittlerweile 30 Jahren beschäftigt sich die aus Lviv in der Ukraine stammende Germanistin mit Schimpfwörtern und hat ihre Forschungsergebnisse seriös, aber launig in dem Buch „Nur ein Depp würde dieses Buch nicht kaufen“ veröffentlicht.
Im Gespräch mit Peter Schneeberger verrät Oksana Havryliv live im Studio warum Fluchen verdammt noch mal gut tut und warum sich im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Sprache in ihrer Heimat mitsamt ihren Schimpfworten verändert hat.
TV-Beitrag: Madeleine Geosits