Letzter Wille

Hermann Nitsch & sein Opus Magnum

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Vulkanische Farbschüttungen, orgiastische Tänze mit Kadavern und dionysische Klänge – Zeit seines Lebens hat Hermann Nitsch, Aktionskünstler von Weltrang mit seinem Orgien-Mysterien-Theater und seinen exzessiven Schüttbildern die Kunstwelt in Atem gehalten. Für seine provokanten Arbeiten landete er in den 1960er Jahren sogar im Gefängnis. 1998 löste der „Dionysos der Kunst“ mit seinem legendären 6-Tage-Spiel, das auf seinem Schloss im niederösterreichischen Prinzendorf stattfand, heftige Kontroversen aus.

100. aktion "6-tage-spiel" 1998 | Aktion im Schlosshof von Prinzendorf
Foto: Archiv Cibulka-Frey
100. aktion "6-tage-spiel" 1998 | Aktion im Schlosshof von Prinzendorf

Dabei wollte er mit seinem Orgien-Mysterien-Theater, das er als zeitgenössische Fortsetzung der Erlösungsidee der Menschen verstand, nie provozieren. Nach seiner selbst verfassten, 1.700 Seiten starken Idealpartitur feierte Nitsch mit seinen „Jüngern“ ein sechstägiges orgiastisches Happening mit Musikbegleitung und 13.000 Litern Wein. Hunderte Liter Blut wurden verschüttet, kiloweise Trauben und Tomaten zerquetscht und zahlreiche Tierkadaver ausgeweidet. Als Gotteslästerer und Tierquäler wurde Nitsch angefeindet. Hermann Nitsch, der im April diesen Jahres 83- jährig verstorben ist, thematisierte damit sinnliches Erleben. Es gab Prozessionen, nackte Frauen und Männer wurden ans Kreuz gefesselt und mit Blut begossen, es wurde gegessen und getrunken, es gab meditative und rauschhafte Exzesse, mit Anleihen aus der katholischen ­Liturgie verwoben. Für Hermann Nitsch war es ein Lebensfest, in dem er Tod und Auferstehung feierte.

Hermann Nitsch, 2017
Philipp Schuster
Hermann Nitsch, 2017

Geboren wurde Nitsch 1938 in Wien, ein Jahr später brach der Krieg aus. Bombenangriffe prägten seine Kindheit, wie er später sagt, oft hatte er Todesangst. Schon in den 1950er Jahren studierte er an einem mehrtägigen Orgien-Mysterien-Theater, dachte über die Stofflichkeit von Obst oder Eingeweiden nach, über den Geruch von Weihrauch und über Flüssigkeiten wie Blut, Benzin, Urin oder heiße Milch. Seine erste Aktion führte Nitsch 1962 in einer Wohnung in Wien durch, sie dauerte 30 Minuten, beteiligt waren zwei Menschen. Er fesselte einen Kollegen in einem weißen, kuttenartigen Hemd an ein Kreuz und bespritzte ihn aus einer Klistierspritze mit Blut. Ein paar Jahre zuvor hatte er eine Ausstellung von Jackson Pollock in Wien gesehen, der seine Bilderwelten beeinflusste.

100. aktion "6-tage-spiel" 1998 | Prozession durch die Felder der Umgebung
Foto: Archiv Cibulka-Frey
100. aktion "6-tage-spiel" 1998 | Prozession durch die Felder der Umgebung

24 Jahre nach der Erstinszenierung seines legendären „6-Tage-Spiel“ werden Ende Juli die ersten zwei Tage in Schloss Prinzendorf zur Realisierung gebracht. 60 Akteure, Mitarbeiter sowie 100 Musiker werden Teil der Aufführung sein. Ein Fest für alle Sinne, eine Hommage an den großen Aktionskünstler, dessen letzte Wille damit in Erfüllung geht.

TV-Beitrag: Madlene Geosits, Tatjana Berlakovich

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