Bilder-Schock

Klimts digitale Auferstehung

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„Hässlich, pornografisch, pervers“ urteilte ganz Wien, als Gustav Klimt Anfang des 20. Jahrhunderts seine Bilder für den Festsaal der Wiener Universität präsentierte. Seine Entwürfe für die Deckengemälde lösten derart heftige Kontroversen aus, dass der Maler den Auftrag der symbolischen Darstellungen der Philosophie, der Medizin und der Rechtswissenschaften fallen ließ.

Klimt Fakultätsbild im Detail
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Stein des Anstoßes: Statt heiteren Allegorien malte Klimt von Krankheit und Leiden gezeichnete nackte Körper, die in einem wahnhaft düsteren Kosmos schweben. Mädchen, Frauen, Männer und Kinder auf ihrem Weg durch das Leben in den Tod. Nicht einfach Bilder: Albträume, Obsessionen. In den Zeitungen war von „Unsittlichkeit“ die Rede, von „gemaltem Wahnsinn“, der sogar Karl Kraus empörte. Der schlagfertige Schriftsteller und Kritiker polemisierte 1900 in seiner Zeitschrift „Die Fackel“ gegen sogenannte „Fakultätsbilder“, waren ihm doch die Ornamente zu sexuell aufgeladen, schlichtweg zu plump.

Klimt Fakultätsbild im Detail
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Die Fürsprache des Kunsthistorikers Franz Wickhoff blieb ohne Erfolg. Die Universität beharrte auf ihrer Haltung und Klimt verweigerte jeglichen Kompromiss. Der Streit um die „Fakultätsbilder“ hatte Folgen. Er machte Klimt im Kreis um die Künstlervereinigung der Secession zum gefeierten Helden und festigte seinen Status als wichtigster Maler der Wiener Avantgarde. Während seine Porträts vom meist jüdischen Großbürgertum in die Kunstgeschichte eingegangen sind, fielen die „Fakultätsbilder“ in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs einem Brand zum Opfer.

Klimt Rekonstruktion
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Wie diese Gemälde aussahen, ließ sich nur anhand von Schwarz-Weiß-Fotografien aus den frühen 1900er Jahren erahnen, die jetzt mittels Künstlicher Intelligenz in neuer alter Farbenpracht erstrahlen. Geleitet von der Expertise des international renommierten Klimt-Forschers und Kurators am Belvedere, Franz Smola, hat das Team des Google Arts & Culture Lab „Machine Learning“ eingesetzt, um die Farben zu rekonstruieren und den Bildern ihre volle Schönheit zurückzugegeben.

Klimt Rekonstruktion
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Giftgrüne Kraken leuchten in der „Jurisprudenz“, die „Medizin“ ist in pudrigen Pastelltönen und nächtlichem Blau gehalten, psychedelische Farben flackern durch die „Philosophie“. Hatten Klimts Zeitgenossen genau diesen Bilderschock vor Augen?

TV-Beitrag: Harald Wilde

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