Aufruf zum Misstrauen
Auf der Schwedenbrücke in Wien hat Ilse Aichinger 1942 mitangesehen, wie Großmutter, Onkel und Tante ins Konzentrationslager Maly Trostinez deportiert wurden. „Winterantwort“ heißt das Gedicht, das diesen Abschied markiert.

Seit Anfang November ist es dort entlang des Geländers zu lesen. Gestaltet hat dieses Erinnerungszeichen die bildende Künstlerin und Schwiegertochter Aichingers, Elisabeth Eich.

In einer kleinen Wohnung in der Mark-Aurel Straße, unweit des Gestapo-Hauptquartiers, überlebten Ilse Aichinger und ihre Mutter wie durch ein Wunder den Nationalsozialismus. Diese Zeit verarbeitete sie später in dem Roman „Die größere Hoffnung“.

Nach dem Krieg verließ Ilse Aichinger Wien und zählte bald neben Paul Celan und Ingeborg Bachmann zu den bedeutendsten Stimmen der Nachkriegsliteratur. Ihr Verhältnis zu Wien blieb nach ihrer Rückkehr 1988 und bis zu ihrem Tod vor fünf Jahren ambivalent. Wien war für sie „mörderisch, aber vertraut“.

Der kulturMontag über die vor hundert Jahren geborenen Schriftstellerin und ihr mit zahlreichen Preisen ausgezeichnetes Werk gegen offene und verdeckte Machtkonstruktionen in unserer Sprache und Gesellschaft.
TV-Beitrag: Alice Pfitzner