Von Fjorden & Rekorden im Norden
Grün, rosa oder lila tanzen die Polarlichter nachtsüber den Himmel, tief eingeschnittene Meeresarme, die Fjorde prägen die Küstenlandschaft. Mitten in der malerischen Landschaft mit ihrem Naturschauspiel aus Seen, Inseln, Wald und Wasserfällen liegt Norwegens Hauptstadt Oslo, in der unberechenbare Fabelwesen, die Trolle oder gar betrunkene Elche ihr Unwesen treiben.
An Hochprozentiges gewöhnt sollen auch die Bewohner sein, was wohl schon bei ihren Vorfahren, den abenteuerlustigen, wie kriegerischen Wikingern festzustellen war. Die Hauptstadt der parlamentarischen Monarchie mit ihren mehr als 600 000 Einwohnern ist eine lebhafte Stadt, trotzdem entspannt und sie tickt auf ihre ganz eigene Art und Weise. „Europas größtes Dorf“, nannte ein Reiseführer noch vor wenigen Jahren die Stadt, „ein kleinteiliges, farbenfrohes Häusermeer“ zwischen Königlichem Schloss und dem Boulevard der Karl Johans Gate, zwischen Rathaus, in dem alljährlich der Friedensnobelpreis verliehen wird und dem nordisch biederen Dom.
Doch das mythenumrankte Image der „Fjord-City“ wird seit geraumer Zeit von spektakulärer Architektur verwandelt. Denn dank ihres Ölreichtums sind die Norweger weltmännisch geworden.
Spätestens mit dem tollkühnen Opernhaus des norwegische Büros Snøhetta ist Oslo auf dem Radar architekturaffiner Reisender gelandet. Das Gebäude ist ein wahrer Hingucker, das wie eine gigantische Eisscholle am Fjordufer in der Bucht von Bjørvika zu schwimmen scheint.
Kein gewöhnlicher Musentempel, dient das Dach und die Lobby doch den Bürgern als Treffpunkt für Verliebte, als Tummelplatz für Kinder und Jugendliche, die auf der Aussichtsrampe des „Eisbergs“ auch gerne mal mit ihrem Skateboard umherdüsen. So tanzt das Volk der feinen Operngesellschaft zwar auf dem Kopf herum, doch die raffinierte Positionierung der Fenster ermöglicht zugleich eine Verbindung zwischen Foyer und Dachlandschaft, zwischen Kulturbeflissenheit und lässiger Freizeitbeschäftigung.
Als Wohnzimmer für die Osloer versteht sich die formidable neue Bibliothek der Stadt, die im vergangenen Jahr eröffnet wurde. Das gläserne Gebäude der Architekturbüros Lundhagem und Atelier Oslo entspricht nicht dem Klischee einer verstaubten Bibliothek mit meterhohen Bücherregalen und gedämpfter Atmosphäre.
Der gläserne Bau direkt neben der Oper gelegen, leuchtet am Abend wie eine Lampe. Auch wenn nicht alle Glasscheiben transparent sind, hat man im Inneren das Gefühl, im Tageslicht zu stehen. Auch energetisch ist diese Eye-Catcher-Architektur Oslos ein Vorzeigeprojekt: Sie erreicht Passivhausstandard, der Energieverbrauch ist niedrig, die Belüftung über die Böden nutzt die thermische Masse der Gebäude, ein externer Sonnenschutz reduziert im Sommer den Kühlbedarf der Häuser. 2019 ist Oslo als Umwelthauptstadt Europas durchgestartet.
Der Verkehr wird durch einen Unterwassertunnel, den Oslofjordtunnel, umgeleitet. Es summen Elektro- oder Hybridfahrzeuge herum, denn Oslo will bis 2030 seine Emissionen um 95 % senken. Auch die neuen architektonischen Projekte zeichnen sich durch besonders ökologische und kulturelle Eigenschaften aus, wie das neue National-Museum, das 2022 eröffnet werden soll.
TV-Beitrag: Markus Gruessing