
Dok 1
Mei Bier is ned deppat
So sind wir: Keine Feier ohne Anstoßen, kein Match ohne Bier, keine Hüttengaudi ohne Schnapserl, kein Polterabend ohne Blackout, Koma-Saufen unter Teenagern ist soetwas wie eine notwendige Mutprobe: Alkoholgenuss ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur.

Obwohl gesundheitliche und psychische Folgen des Alkoholkonsums hinlänglich bekannt sind, trinken die Österreicher und Österreicherinnen wider besseres Wissen. Die Mengen werden gerne heruntergespielt, Trinkfestigkeit gilt als Tugend, NichttrinkerInnen müssen eine Erklärung für ihre Abstinenz abliefern. Lisa Gadenstätter geht auf Spurensuche und Feldforschung quer durch die österreichische Trinkkultur.
Lisa Gadenstätter fragt ÖsterreicherInnen unter anderem, warum es nicht ohne Alkohol geht, und hat sich ein Experiment überlegt: Wollen die ÖsterreicherInnen wissen, wie es um ihre Leber steht - und sind sie zu einer spontanen Untersuchung bereit?

Am Wiener Naschmarkt richtet sich der Leberspezialist Dr. Thomas Reiberger eine provisorische Praxis ein und Lisa Gadenstätter lädt einen Tag lang Passanten dazu ein, sich einem schmerzfreien und kostenlosen Schnell-Scan zu unterziehen.
Binnen zwei Minuten kann der Arzt erkennen, ob die Leber angegriffen ist oder nicht. Die Ergebnisse fallen höchst unterschiedlich aus. Von unangenehmen Überraschungen und bestätigtem Verdacht, bis zur Erleichterung reichen die Reaktionen der Freiwilligen, die sich zum Gratis-Schnell-Test bewegen ließen.

Dabei kommt in den Gesprächen klar heraus: Jawohl, Alkohol gehört in Österreich immer dazu - und das bestätigen sogar jene, die aus unterschiedlichen Gründen gar nichts trinken. Wie Abstinente damit zurechtkommen, nicht „dazugehören“, ist ebenfalls ein Thema - und die verschiedenen Strategien und Möglichkeiten, in einem Land voller Angebote nüchtern zu bleiben.

Wir treffen beispielsweise den trockenen Alkoholiker Josef Burger, der seit zwanzig Jahren keinen Tropfen angerührt hat und der aus dem problematischen Verhältnis vieler Österreicher zum Alkohol ein Kabarettprogramm gemacht hat.

Einen anderen Weg der Aufarbeitung und auch der Wiedergutmachung hat der ehemalige Unfall-Lenker Mario Brnic gefunden: Nachdem er als Führerscheinneuling alkoholisiert und mit zwei Beifahrern fast in den Tod gerast wäre, widmet er sein Leben seither der Aufklärung und Prävention. Als Projektleiter in der Initiative „Close to“ bringt er FahrschülerInnen und AlkolenkerInnen für ein sehr persönliches Coachinggespräch zusammen.
Maßvolles Trinken - dieses Schlagwort kehrt in allen Gesprächen mit Fachleuten immer wieder. Aber was ist das richtige Maß, wo entsteht der Schaden, was ist zu viel und ab wann liegt krankhafte Alkoholsucht vor? Auch diese Fragen beantwortet Lisa Gadenstätters Dok 1.

Die Internistin Ursula Hollenstein von den Science Busters erklärt in leicht verständlichen Worten die Wirkung von Alkohol. Roland Mader von der bekannten Wiener Entzugsklinik Anton-Proksch-Institut in Kalksburg macht die Grenzen vom Genuss zum Missbrauch klar.

Dass die breite Akzeptanz des Alkohols in Österreich nicht nur seiner erwünschten Wirkung zugeschrieben wird, macht ein genauer Blick auf die Gewinner unserer Trinkkultur deutlich: Ganze Industrien verdienen am „Genussland Österreich“. Der Tourismus, die Gastronomie, das Nachtleben - zigtausend Arbeitsplätze wären gefährdet, wenn Alkohol verboten würde.

Der Philosoph Robert Pfaller erklärt im Interview mit Lisa Gadenstätter dazu gleich, warum Verbote oder Warnhinweise seiner Ansicht nach nicht unbedingt hilfreich sind, warum wir eigentlich trinken und was einen feierlichen Moment im Kern ausmacht.

Ob man dem kritischen Punkt zwischen Genuss und Missbrauch mit höheren Preisen oder schärferen Gesetzen begegnen sollte, erklärt die Suchtpräventions-Expertin Lisa Brunner.
Dass die ÖsterreicherInnen dem Alkohol abschwören werden, ist sowieso eine Illusion - aber die allseits akzeptiere Gepflogenheit, aus einem Vollrausch eine Heldensage und aus der Trinkfestigkeit eine Tugend zu machen, darf angesichts der Kollateralschäden durchaus hinterfragt werden.