Dok 1
Viel verbautes Österreich
Jeden Tag werden in Österreich knapp zwölf Hektar Boden verbaut – europaweit ein Spitzenwert. Aber ganz ohne zu bauen wird es nicht gehen. Hanno Settele folgt der ewig wachsenden Betonspur durch unser Land. Seine Reise durch Österreich verdeutlicht, wie komplex die Herausforderungen rund um Bodenverbrauch und Schaffung von neuem Wohnraum und neuen Arbeitsplätzen sind, aber auch, dass nicht jeder Quadratmeter Grünland verloren sein muss.
Der Platz wird in Österreich eng. Besonders dort, wo viele Berge stehen, wie zum Beispiel in Innsbruck. Wie viele – oder wenige – Quadratmeter Land man hier für teures Geld bekommt, erfährt Hanno Settele von Grundstücksmakler Peter Jenewein bei einem kurzen Spaziergang rund um ein Grundstück am Stadtrand.
Aber auch im „Speckgürtel“, im 20 Kilometer entfernten Fulpmes, haben die Grundstückspreise in den letzten Jahren enorm angezogen. Die selbsternannte Hexe Margit Taraud hat sich hier ihren Traum vom eigenen Haus verwirklicht. Der Preis für ihr Grundstück hat sich in den letzten Jahren fast vervierfacht.
Ganz anders schaut es in Regionen aus, wo es noch genug Land zum Ausbreiten gibt. In Schöngrabern im Weinviertel haben Andreas und Lucie Pfaffeneder auf günstigem Grund ein Haus mit Garten und Pool gebaut. Für sie bedeutet das Freiheit. Doch um mobil zu bleiben, mussten sie sich zwei Autos anschaffen. Raumplanerisch sei die Zeit des Einfamilienhauses vorbei, meint Professor Arthur Kanonier von der TU Wien. Zu groß sei die Fläche, die durch die damit verbundene Infrastruktur wie Kanal und Zufahrtsstraßen verbraucht wird.
Gegen den Bau von weiteren Verkehrswegen – und vor allem gegen den Bau der „Lobau Autobahn“ – hat die Mikrobiologin Martha Krumpeck im Sommer mit einem mehr als fünf Wochen dauernden Hungerstreik auf dem Wiener Heldenplatz protestiert. Auf die Bequemlichkeit, mit dem Auto direkt vors Geschäft und wenn möglich gleich vors Shoppingcenter zu fahren, wollen viele aber nicht verzichten.
Ein umstrittenes Einkaufszentrum steht in der Steiermark. Wie es möglich war, die Größenvorgaben des Landes von 5.000 m2 Verkaufsfläche zu umgehen und eine zehnfach größere „Shopping Stadt“ zu bauen - gegen den Einspruch von engagierten BürgerInnen wie der Unternehmerin Silvia Hartleb - erfährt Hanno Settele beim Besuch der „Arena Fohnsdorf“.
Die Macht der BürgermeisterInnen, wenn es um Bauentscheidungen geht, hat in der Vergangenheit immer wieder zu einer schiefen Optik geführt. Etwa, wenn Gemeindechefs selbst Nutznießer einer Umwidmung waren oder wenn Projekte realisiert wurden, die nur schwer mit öffentlichem Interesse oder dem Schutz der Natur in Einklang zu bringen sind.
Im oberösterreichischen Freistadt trifft Hanno Settele BürgermeisterInnen, die freiwillig auf manche ihrer Kompetenzen verzichten und gemeinsam entscheiden, wo in der Region sich welche Betriebe am besten ansiedeln sollen.
Im Niederösterreichischen Tulln versucht man, den Bodenverbrauch auf andere Art einzudämmen: man will keine neuen Flächen außerhalb der Stadtgrenzen mehr für den Wohnbau umwidmen. Darüber hinaus läuft in Tulln bis Ende des Jahres eine BürgerInnenbefragung, bei der über die Entsiegelung eines innerstädtischen Parkplatzes abgestimmt werden soll. Können und wollen die TullnerInnen auf Abstellplätze zugunsten von mehr Grün verzichten?
Welche Chancen leerstehende Gebäude bieten, zeigt ein Besuch von Hanno Settele bei Prof. Gernot Stöglehner von der BOKU Wien. Der Professor für Raumplanung bewohnt im niederösterreichischen Langau einen alten Bauernhof. Bevor neues Grünland durch Bebauung verloren geht, solle man zuerst leerstehende Bauten nutzen, sagt er. Wenn nötig durch Zwangsmaßnahmen.