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Staatsbürgerschaft - Die heilige Kuh
Mehr als 1,5 Millionen Menschen, die bei uns leben, haben keinen österreichischen Pass. Damit hat unser Land einen der höchsten Ausländeranteile in der EU. Das liegt vor allem auch an den hohen Hürden, die vor die Verleihung der Staatsbürgerschaft stellen. Ob der Zugang erleichtert werden soll, wurde die vergangenen Monaten heiß diskutiert.
Die österreichische Staatsbürgerschaft ist ein wertvolles Gut, das nicht entwertet werden darf, so hört und liest man immer wieder. Wertvoll ist sie auch für jene, die sie aus guten Gründen gerne hätten, aber einfach nicht bekommen. Hanno Settele möchte wissen; was braucht es denn, damit jemand Österreicher oder Österreicherin werden darf?
Ebru Sokolova hat keine österreichische Staatsbürgerschaft, obwohl sie vor 23 Jahren hier geboren wurde und hier lebt. Warum sie in Bulgarien das Parlament wählen darf, in Österreich aber nicht, kann die junge Frau zum Beispiel nicht verstehen. Denn die politischen Verhältnisse in Bulgarien sind ihr fremd; sie kennt nur Österreich als ihr Heimatland. Migrationsforscher Rainer Bauböck hält es für höchst-problematisch, dass fast ein Fünftel der Menschen von Nationalratswahlen ausgeschlossen sind. Demokratie definiere sich eben dadurch, dass die Macht vom Volk ausgeht und nicht nur von einem Teil des Volks.
Wer Österreicher oder Österreicherin werden will, soll erst einmal viel leisten, muss sich das wertvolle Gut Staatsbürgerschaft verdienen und die Einbürgerung soll am Schluss des Integrationsprozesses stehen – dieser Meinung ist der ehemalige Nationalratspräsident und Mit-Architekt des strengen Gesetzes, Andreas Khol. Genau das kann die 22-jährige Wirtschaftsstudentin Tekla Scharwaschidze nicht mehr hören. Sie lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Österreich, spricht fließend mehrere Sprachen, hat zahlreiche Wettbewerbe gewonnen und hat noch immer keinen österreichischen Pass.
Besonders in der öffentlichen Kritik stand und steht in den vergangenen Monaten die Magistratsabteilung 35. Jene Behörde, die in Wien für Einbürgerungen zuständig ist. Hanno Settele spricht dazu mit einer Wiener Familie, die hautnah von den Problemen berichten kann; die Ehefrau und Mutter des gemeinsamen Kindes im Volksschulalter lebt seit mehr als 15 Jahren in Wien, hat hier studiert und verdient überdurchschnittlich gut. Dennoch wird ihr Antrag auf Einbürgerung immer wieder von der Behörde zurückgeworfen. Und das seit vier Jahren.
Die Angst vor Ablehnung des Antrags kennt Asif Safdary nur zu gut. Der gebürtige Afghane und Computer-Experte bekam bereits vor der Matura Jobangebote, nach dem Studium wurde er von Offerten regelrecht überrannt. Zunächst wurde ihm von der Behörde versichert, dass er alle Anforderungen weit überfülle. Doch dann kam es auch bei ihm immer wieder zu Verzögerungen. Anstatt sein geplantes Masterstudium in Kalifornien anzutreten, kämpfte er um die österreichische Staatsbürgerschaft.
Die strenge Handhabe in dieser Sache mache nicht nur den Menschen wie ihm das Leben schwer, sondern sie schade auch unserer Wirtschaft, und zwar erheblich. Davon ist Georg Kapsch, CEO der Kapsch AG und ehemaliger Präsident der Industriellenvereinigung, überzeugt. Um international konkurrenzfähig zu bleiben, benötigen die heimischen Unternehmen dringend Fachleute aus dem Ausland. Doch die zieht es lieber in andere EU-Staaten – auch wegen der strikten Anwendung der Gesetze, die Aufenthalt und Staatsbürgerschaft regeln.
Am Ende steht die Frage; wird die Staatsbürgerschaft abgewertet, je mehr Menschen sie besitzen, oder gewinnen wir alle, wenn wir großzügiger damit umgehen?