Der talentierte Herr Rydl
Wie man das Finanzamt narrt
Er galt als Finanzstaatsfeind Nr. 1, die Medien nannten ihn das „Superhirn“ – Werner Rydl stand im Mittelpunkt eines der größten Finanzskandale Österreichs und soll sich in den neunziger Jahren mit komplexen Karussellgeschäften um 116,3 Millionen Euro – damals 1,6 Milliarden Schilling – bereichert haben. Er selbst behauptet sogar, dass es knapp fünf Milliarden Euro waren, um die er die Republik erleichtert hat, und dass er das Geld zurückgeben will. Doch das ist noch nicht einmal das Sonderbarste an den Machenschaften des talentierten Herrn Rydl. Sondern nur eine Facette eines 20 Jahre andauernden Katz-und-Maus-Spiels mit den Behörden.
1989 kündigt er der Finanzbehörde an, fortan keine Abgaben mehr abzuführen. Rydl nennt das „Steuerembargo“: Zwar kassiert er in seinen Export-Geschäften 20 Prozent Umsatzsteuer, überweist diese jedoch nicht an die Finanz. Rydl zufolge sei das kein Vergehen, einer seiner Lieblingssätze: „Ich bin kein Betrüger.“ Insgesamt sind mehr als 100 österreichische Unternehmen in Rydls Exportgeschäfte involviert. Er selbst setzt sich 1992 nach Brasilien ab und führt von dort die Geschäfte weiter. Weil es kein Auslieferungsabkommen wegen Steuerdelikten gibt, wähnt er sich dort in Sicherheit. Doch in der Heimat werden andere zu Leidtragenden des „Systems Rydl“. Die Finanz verweigert seinen Geschäftspartnern die Rückzahlung der vorfinanzierten Umsatzsteuer, weil sie annimmt, dass sie mit Rydl unter einer Decke stecken. Für viele bedeutet das den finanziellen Ruin. Und Haft – wegen Rydls Machenschaften gehen seine Mutter, sein Bruder und viele andere ins Gefängnis.
2005 hat sein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden ein vorläufiges Ende. Rydl wird in Brasilien festgenommen und geht dort in Haft. Bis er nach Österreich zurückkehrt, vergehen jedoch weitere vier Jahre; denn Rydl schöpft sämtliche Rechtsmittel aus, um nicht ausgeliefert zu werden – so soll er versucht haben, sich adoptieren zu lassen. 2010 wird er schließlich zu einer Rückzahlung von 22 Millionen Euro verurteilt. Rydl kontert mit einer Schadenersatzverrechnung an den österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer von neun Millionen Euro Tagsatz für seine Unterbringung im brasilianischen Hochsicherheitsgefängnis. Bei 1.621 Hafttagen übersteigt diese Forderung die Gesamtsumme all seiner einbehaltenen Steuern und Abgaben aus seinem Steuerembargo um ein Vielfaches.
Die Geschichte von Werner Rydl ist absurd und faszinierend. HolyScreen Media begibt sich im Auftrag des ORF in der Dokumentation „Der talentierte Herr Rydl – Wie man das Finanzamt narrt“ auf Spurensuche. Wer ist dieser Mann, der den österreichischen Fiskus täuschte und dann nach Brasilien verschwand? Wie konnte er seinen Geschäften so lange ungestört nachgehen? Und worum ging es ihm dabei wirklich – um Profit, um Gerechtigkeit?