Interview mit „Totenfrau“-Bestsellerautor Bernhard Aichner
Bernhard Aichner (geboren 1972) lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck. Er schreibt Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit dem Burgdorfer Krimipreis 2014, dem Crime Cologne Award 2015 und dem Friedrich Glauser Preis 2017.
Die Thriller seiner „Totenfrau“-Trilogie standen monatelang an der Spitze der Bestsellerlisten und erschienen in 17 Ländern. Allein im deutschen Sprachraum wurden mehr als eine halbe Million Exemplare verkauft.
Mit „Bösland“ und „Der Fund“ knüpfte er 2018 und 2019 an seine internationalen Erfolge an. Aktuell sorgt er mit seiner Reihe „Bronski“ und dem Fall „Brennweite“ für schlaflose Nächte.
Die „Totenfrau“ geht als internationale Koproduktion an den Start, im ORF und auf Netflix. Wie fühlt sich das an?
Ich bin überglücklich. Die „Totenfrau“-Trilogie hat es in wirklich viele Wohnzimmer und Bücherregale quer durch Europa geschafft, allein im deutschen Sprachraum wurden mehr als 500.000 Exemplare verkauft. Dass die Geschichte von Brünhilde Blum so viele Leserinnen und Leser begeistern konnte, ist wundervoll. Der mordende Racheengel hat meinen Traum, vom Schreiben leben zu können, wahr werden lassen. Dass Blum nun auch noch am Fernsehschirm mordet, setzt dem Ganzen nun die Krone auf.
In (fast) allen Ihren Büchern steht das Böse im Mittelpunkt, warum?
Ich bin eines Tages zu der überraschenden Erkenntnis gekommen, dass wir alle nicht nur gut sind, sondern dass wir auch eine dunkle Seite in uns haben. Früher dachte ich, dass ich niemals zu einem Mord fähig sein könnte, heute weiß ich, dass das nicht stimmt. Ich glaube, jeder kann jederzeit zu einem Mörder werden. Das ist gleichzeitig erschreckend, aber auch faszinierend – die Dämonen, die wir in uns tragen, können, wie im Fall von Brünhilde Blum, jederzeit das Kommando übernehmen.
Bernhard Aichner ist zu einem Mord fähig? Wie viel Killer steckt in Ihnen?
Ich bringe mich zu einhundert Prozent in meine Bücher ein – ich fühle, leide, liebe, hasse und ich töte für meine Protagonisten! Aber natürlich ist alles, was sich am Ende zwischen den zwei Buchdeckeln findet, Fiktion. Tatsache ist, dass es mir Spaß macht, über den perfekten Mord nachzudenken. Es geht darum, sich theoretisch auf die andere Seite zu begeben, Verbotenes zu tun, alles dafür zu geben, um den Leser zu überraschen und emotional aus der Reserve zu locken.
Max Broll ist Totengräber, Blum Bestattungsunternehmerin – warum finden sich der Tod und die Sterblichkeit immer wieder in Ihren Büchern und den von Ihnen geschaffenen Charakteren?
Freiwillig und unfreiwillig hatte ich in meinem Leben mit dem Tod zu tun. Es war angsteinflößend und faszinierend zugleich: Ich war am Friedhof bei Begräbnissen Ministrant, musste als Fotolaborant grausige Bilder des Polizeifotografen entwickeln, ich war als Pressefotograf bei der Lawinenkatastrophe in Galtür und habe als junger Vater in Thailand den Jahrhundert-Tsunami überlebt. Das alles ging nicht spurlos an mir vorüber.
Für die „Totenfrau“ haben Sie selbst gelernt, wie Tote für die Beerdigung vorbereitet werden. Wie war das für Sie?
Während ich an der „Totenfrau“ geschrieben habe, hatte ich das Glück, in einem Innsbrucker Bestattungsinstitut mitarbeiten zu können. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und wollte mir die Fragen beantworten, was passiert, wenn man stirbt? Was macht es mit mir, wenn ich da hinsehe? Zu Beginn war es eine schräge, dann aber richtig schöne Erfahrung, dem Tabuthema Tod näherzukommen und zu akzeptieren, dass wir letztendlich alle sterben werden. In mir wuchs die Dankbarkeit, leben zu dürfen. Die anfängliche Angst vor den Toten verschwand, so wie Blum ist es mir vielleicht ein Stück weit gelungen, zu akzeptieren, dass es ein Leben ohne den Tod nicht gibt.