Land in Sicht
Mit „Land in Sicht“ startet der kulturMontag eine neue Serie, für die Clarissa Stadler aufbricht und mit Künstlerinnen und Künstlern über Regionen im Umbruch spricht. Aus Anlass des bevorstehenden Kulturhauptstadtjahres ist sie ins Salzkammergut gereist.
Noch immer ist das Salz der Motor der Region (Saline Ebensee) und noch immer gilt Bad Ischl als Zentrum der Operette. Aber längst gehen Künstlerinnen und Künstler neue Wege, um abseits der Habsburgerklischees rund um Sissi und Franz Joseph aufregende Projekte zu starten.
Die Designerin Katharina Weglehner hat mit ihrem Label „Sissikuss“ eine originelle Marke geschaffen, unter der sie Kunsthandwerk und Kulinarisches „Made in Salzkammergut“ verkauft. Ihr Kiosk an der Esplanade am Traunfluss liegt vis-a-vis dem legendären „Zauner“-Kiosk.
Christoph „Krauli“ Held ist ein gefeierter Haubenkoch, sein Restaurant auf dem Siriuskogl ist so unkonventionell wie sein Umgang mit dem Kochen. In einer ehemaligen Jausenstation hat der Reggae-Fan ein kleines Imperium mit 20 Mitarbeitern aufgebaut und seit den Lockdowns kann man ihm auch in seiner eigenen Kochshow auf YouTube folgen („Held und Herd“). Für das Kulturhauptstadtprojekt 2024 will er mit Jugendlichen ein Konzept umsetzten, das sowohl den Personalmangel in der Branche als auch die vielen leer stehenden Lokale thematisiert.
Hubert von Goisern ist wohl der berühmteste Sohn des Salzkammerguts. Der Bad Goiserer, der sich mit der traditionellen Volksmusik anlegte und auszog um als Weltmusiker wieder zurückzukommen hat ein ambivalentes Verhältnis zu seinen Wurzeln. Bis heute schöpft er aber aus der Landschaft und der Kultur seiner Heimat, auch wenn er im Laufe seines Lebens so ziemlich alle Stile fusioniert hat, die er auf seinen Reisen kennen gelernt hat. Dass die Operettenwelt nicht nur eine heile ist, zeigt er auf seinem jüngsten Album „Zeiten und Zeichen“: Auf der Suche nach den Urheberrechten zu Franz Lehars berühmter Melodie „Freunde, das Leben ist lebenswert“ stieß er auf das Schicksal des Librettisten Fritz Löhner-Beda, der von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde und widmete ihm kurzerhand eine musikalische Hommage.
Der Bad Ischler Künstler und Plättenbauer Wolfgang Müllegger hat viele Talente. Das seltene Handwerk des Plättenbauens, das er vom letzten seiner Zunft vor einigen Jahren erlernte, hat ihn dazu motiviert, für das Kulturhauptstadtjahr ein Projekt einzureichen. Gemeinsam mit Georg Holzmann will er eine Art bemannte Bootsskulptur vom Traunfluss aus auf die Reise bis zum Schwarzen Meer schicken und die künstlerische Aktion dokumentieren - mit offenem Ausgang.
Dass das Salz nicht nur Wohlstand und kulturellen Reichtum über die Region gebracht hat, sondern auch eine starke Industrialisierung mit all ihren Auswirkungen, hat die Künstlerin Heidi Zednik erforscht. Sie ist in Miami geboren, in der Schweiz und in Österreich aufgewachsen und vor einigen Jahren zu ihren familiären Wurzeln an den Traunsee zurückgekehrt. In ihrem Atelier in einer ehemaligen Textilfabrik in Ebensee, der „Alten Weberei“, beschäftigt sie sich mit den Auswirkungen von Industrie und Klimawandel auf den See und die Fischzucht. Ihre ästhetisch-ökologischen Arbeiten sind ein interessanter Kontrapunkt zur Naturverherrlichung, von der im Salzkammergut der Tourismus gut, manchmal zu gut, lebt.
Kultur ist das neue Salz – mit diesem Slogan wirbt Bad Ischl samt 22 Gemeinden für das Kulturhauptstadtprojekt 2024. Themen wie Macht und Tradition, der Wandel der Kultur aber auch heiße Themen wie Overtourism stehen dabei im Zentrum. Es ist eine Region der Gefälle: „Oben Industrie, dann Landwirtschaft und viel Tourismus“, beschreibt die künstlerische Leiterin Elisabeth Schweeger die Region vom voralpenländischen Norden bis in den bergigen Süden. Zur Unterstützung gründete Schweeger ein prominentes Komitee, eine Art Musketier-Gefolgschaft aus Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft. Mit dabei Stardirigent Franz Welser-Möst, Schauspieler-Legende Klaus Maria Brandauer, Kulturwissenschafterin Aleida Assmann, Langzeit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler oder Weltmusiker Hubert von Goisern. 95 Prozent der geplanten Projekte sind mittlerweile schon unter Dach und Fach. 85 Prozent davon werden von regionalen Kulturschaffenden und Vereinen umgesetzt.
Live im Studio bei Peter Schneeberger ist Elisabeth Schweeger. Die künstlerische Leiterin über den Sehnsuchtsort Salzkammergut, das Wesen der Bewohner*innen, den Spagat zwischen Tradition und Moderne und was es heißt, Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten.
TV-Beitrag: Clarissa Stadler & Yannick Kurzweil