Abgründe der menschlichen Seele
In seinen Filmen lotet er moralische Grauzonen aus, legt seine Finger oft in die Wunden der Gesellschaft. Ulrich Seidl gilt vielen als Extremfilmer, der mit radikaler Aufgeschlossenheit die Einsamen und Hässlichen, die Außenseiter und Deformierten der Gesellschaft porträtiert. An jeder Ecke in Seidls Kosmos lauert das Schauerliche und Verwerfliche.

So auch in seinem jüngsten Werk „Sparta“, das seit Wochen für heftige Debatten sorgt. Ausgelöst wurden die Diskussionen Anfang September vom deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, das dem international renommierten Regisseur vorwirft, bei den Dreharbeiten vor drei Jahren rumänische Kinder unter nicht kindgerechten Bedingungen eingesetzt zu haben. Weder die Eltern noch die jungen Laienschauspieler seien darüber informiert gewesen, dass es ein Film über Pädophilie sei. Am Set soll es Gewalt und Tränen gegeben haben. „Sparta“ ist das „Bruderstück“ zu Seidls Film „Rimini“, der auf der diesjährigen Berlinale-Wettbewerb uraufgeführt wurde.

Im Zentrum des Films, der in Rumänien angesiedelt ist, steht der Mittvierziger Ewald, der gegen seine pädophilen Neigungen kämpft. Grandios ist Georg Friedrichs Darstellung eines hypernervösen verklemmten Mannes, der offensichtlich mit sich selbst hadert. Mit seiner Freundin läuft nichts mehr, Entspannung findet er nur in der Gegenwart von sechs- bis 14-jährigen Buben. Erst nach und nach wird klar, dass er sie auch sexuell begehrt. Ewald kauft in einem Dorf eine leerstehende Schule und baut sie zu einem Jugendcamp namens „Sparta“ um, in dem er zwei Handvoll männlicher Kinder Zuflucht bietet, sie in Judo unterrichtet, Zeit mit ihnen verbringt, ohne ihnen aber jemals im falschen Sinn nahezukommen.

Eine wahre Geschichte aus Nordrumänien inspirierte Ulrich Seidl zu seiner jüngsten Arbeit, die sich um Armut, Gewalt und Ausbeutung dreht. Aufgrund der massiven Anwürfe prüfte das Österreichische Filminstitut, das den Film förderte, alle Dokumente, darunter Protokolle der Dreharbeiten und die Zustimmungserklärungen der Eltern.

Jetzt feierte „Sparta“ seine Österreich-Premiere auf der Viennale und Ulrich Seidl nimmt im kulturMontag-Gespräch mit Filmchef Christian Konrad Stellung zu den Verdrehungen rund um Manipulation und Missbrauch, zu seinen Arbeitsmethoden und zum Tabuthema Pädophilie.
TV-Beitrag: Christian Konrad
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