Narrenschiff Europa
Als der EU-Roman „Die Hauptstadt“ 2017 erschien, überschlugen sich die Kritiker mit Lob und sprachen dem Autor Robert Menasse den Deutschen Buchpreis zu. Dass ein Roman über Brüssels Bürokratie so unterhaltsam, so profund und so hellsichtig sein könnte, war nicht zu erwarten gewesen und verschaffte dem Episoden-Roman einen Spitzenplatz auf den Bestsellerlisten.

Schon bald darauf bestätigte Menasse, an einer Fortsetzung zu arbeiten, und nach fünfjähriger Wartezeit ist es jetzt soweit: „Die Erweiterung“ erscheint Anfang Oktober bei Suhrkamp. Mit 650 Seiten ist der Roman ein Hauptwerk Menasses, der mit einer Vielzahl an Figuren und Schauplätzen aufwartet. Die Handlung spielt (unter anderem) in Tirana, Polen und in Brüsseler EU-Büros, sie führt in die Hinterzimmer von Europas Spitzenpolitik, in die albanischen Berge und endet in einem furiosen Untergangsszenario.

Nicht minder breit angelegt ist die Handlung: Es geht um den EU-Beitritt Albaniens, die polnische Justizreform, den Verrat alter Ideale - und einen geschichtsträchtigen Helm, der aus den (erwartbar schlecht gesicherten) Hallen des Kunsthistorischen Museums in Wien gestohlen wird. Ähnlichkeiten mit lebenden Figuren sind gewollt, und es sind tatsächlich viele Persönlichkeiten, die von Robert Menasse ebenso liebevoll wie bissig porträtiert werden.

Sein neues Buch ist vieles in einem: Politfarce, Kriminalroman und Liebesgeschichte, immer nah an der Realität geschrieben und vollgepackt mit detailgenauer Recherche. Kurzum: „Die Erweiterung“ ist die Summe von Menasses lebenslanger Beschäftigung mit der Europäischen Union und ihren politischen Widersprüchlichkeiten.
TV-Beitrag: Eva Maria Kaiser