Kubin auf der Couch
Das Grauenerregende ließ ihn nicht los, das Düstere war seine Domäne, das Gespenstische seine Vision: Alfred Kubin.


Die Kunst des großen Zeichners, Illustrators und Verfassers des Jahrhundertromans „Die andere Seite“ über den Kampf zwischen Gut und Böse scheint aktueller denn je: Gewalt, kriegerische Zerstörung, Seuchen, Naturkatastrophen, Manipulation der Massen und andere Abgründe des menschlichen Seins prägten seine stark erzählerisch orientierten Arbeiten.

Das Werk dieses fantastischen Schöpfers konfrontiert uns mit pessimistischen Visionen, die – frei nach Schopenhauer – die schlechteste aller denkbaren Welten skizzieren.

Ein riesiger Augapfel ragt aus einem Totenkopf hervor. Der Sensenmann mit dem markanten Sehorgan beobachtet ein untergehendes Boot. Lacht hämisch über die hilflosen Menschen, die vergeblich ums Überleben kämpfen.

Ein Blatt, das man so schnell nicht vergisst. So etwa muss sich Kubin gefühlt haben, war er doch seit seiner Kindheit ständig mit dem Sterben konfrontiert. Als Zehnjähriger verlor er die innig geliebte Mutter, später die junge Verlobte.

Dazwischen ein missglückter Selbstmordversuch: „Sind wir denn, frage ich, mehr als dieses Knochengestell, umspannt von Fleischsträngen?“, so der Visionär negativer Idyllen. Kubin hat der Angst – vor inneren Zwängen, Kindheitstraumata und vor der eigenen Endlichkeit – kreativ getrotzt.

Hat seine Horrorvisionen und Alpträume, Empfindsamkeit und Neurosen in Kunst umgesetzt. Noch auf seinem Totenbett soll Alfred Kubin zu seinem Hausarzt gesagt haben: „Nehmen Sie mir nicht die Angst, sie ist mein einziges Kapital.“

Dem „Magier aus Zwickledt“ bei Wernstein am Inn in Oberösterreich widmet das Wiener Leopoldmuseum eine umfassende Ausstellung. Darin wird erstmals der Versuch unternommen, die Kunst der Kubinschen Traumwelten auch in ihrem Bezug zum Unbewussten zu erfassen. Der Psychoanalytiker und Psychiater August Ruhs interpretiert Kubins unheimliche Dystopien.
TV-Beitrag: Markus Greussing