
In memoriam Sophie Freud: André Hellers Menschenkinder
„... wenn sie mir eine Wahl geben zwischen genug Sex und genug Geld, dann nehm ich das Geld“ sagte die Enkelin von Siegmund Freud, Sophie Freud. Sie ist die einzige aus der Freud-Familie, die offene Kritik am Werk ihres Großvaters geübt hat. 2016 war sie zu Gast bei André Heller und erzählte aus ihrem bewegten Leben, von den Erinnerungen an ihren Großvater, der Flucht vor den Nationalsozialisten, ihren Anfängen und Studien in Amerika uvm.
Sophie Freud wurde am 6. August 1924 in Wien geboren. Ihr Vater war der älteste Sohn von Siegmund Freud (1856-1939). Sophie wollte das bravste Kind von Wien zu werden, sie liebte die Schule. An den Sonntagen besuchte die Familie den Großvater, der ihr immer 8 Schillinge Taschengeld gab. Freud wollte Nazi-Deutschland nicht verlassen. Erst als seine Schwester von der Gestapo einen ganzen Tag lang verhört worden war, beschloss er, nach London zu emigrieren. Mithilfe einer befreundeten Psychoanalytikerin erhielt er 17 Auswanderungserlaubnisse, die er an seine Familie verteilte. Sophie wanderte 1942 mit der Mutter nach Paris und später nach Amerika aus. Auf dem Bahnhof hat sie den Großvater zum letzten Mal gesehen.
1946 ging sie nach Boston und schloss dort 1948 die Ausbildung zur Sozialarbeiterin ab, 1967 begann sie das Studium an der Brandeis University in Waltham, Massachusetts. Sie war zunächst als Dozentin am Bostoner Simmons College tätig und ab 1978 Professorin an der dortigen School of Social Work.
1960 kehrte Sophie Freud erstmals nach Wien zurück und besuchte seit Ende der 1980er Jahre regelmäßig Österreich. 1978 bekam sie die österreichische Staatsbürgerschaft zurück. 1945 hatte sie Paul Löwenstein geheiratet, mit dem sie zwei Töchter und einen Sohn hat. In den 1980er Jahren ließen sie sich scheiden. Sophie war Psychologin, Sozialpädagogin und Dozentin und lebte bis zu ihrem Tod am 3. Juni 2022 in Boston und Lincoln, Massachusetts. Sie war die einzige in der Familie, die offen die Lehren ihres Großvaters kritisierte. Über seine Theorien hat er mit seiner Enkelin nie gesprochen - aufgeklärt wurde sie mit 13 von einer Freundin.
Gesprächsreihe, 2016