'Zum Weltfrauentag am 8. März'

Eugenie Schwarzwald: Pionierin der Moderne

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Die österreichische Pädagogin, Sozialreformerin und Frauenrechtsaktivistin widersetzte sich unbeirrt behördlicher Beton-Mentalität

Eine junge Frau will im Wien des Fin de Siècle den vom damaligen Bildungssystem massiv benachteiligten Mädchen bessere Chancen auf eine selbstbestimmte Zukunft ermöglichen. Im Alter von nicht einmal 30 Jahren kauft sie kurzerhand eine ganze Schule: Eugenie Schwarzwald. Als Lehrer engagiert sie Oskar Kokoschka und Arnold Schönberg, Adolf Loos unterrichtet Architektur. Auf behördliche Sabotage ihrer revolutionären Pädagogik-Konzepte reagiert sie nicht frustriert, sondern kämpferisch. Wie kommt es, dass Schwarzwald heute so Wenigen ein Begriff ist? Regisseurin Alex Wieser bereitet dieser Pionierin der Moderne die Bühne und erzählt vom Widerstreit von k.u.k.-Konservatismus und den reformerischen Kräften jener Jahre.

Crew mit Schülerinnen der Schwarzwaldschule sowie den DarstellerInnen für Eugenie Schwarzwald und Oskar Kokoschka
ORF/V-set/Benjamin Paya
Crew mit Schülerinnen der Schwarzwaldschule sowie den DarstellerInnen für Eugenie Schwarzwald und Oskar Kokoschka

Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März rückt der ORF diese bemerkenswerte Frau ins Rampenlicht.

„Genies sind im österreichischen Lehrplan nicht vorgesehen!“ Das war die Replik aus dem Unterrichtsministerium, als Eugenie Schwarzwald wortreich, aber vergeblich gegen die behördliche Entfernung von Oskar Kokoschka aus ihrer Schule ankämpfte und seine Genialität hervorhob.

Eugenie Schwarzwald mit Oskar Kokoschka in der Klasse
ORF/V-set/Benjamin Paya
Reenactment Eugenie Schwarzwald mit Oskar Kokoschka in der Klasse

Der junge verquälte und bettelarme Künstler konnte keine Lehramts-Berechtigung vorweisen und pflegte Marotten, wie Mädchen Buntstifte in die Hand zu geben und sie nach ihrer Meinung zu Fragen. Künstlerische Betätigung wurde damals Frauen nicht zugestanden und außerdem: sie könne ja der Gebärfähigkeit schaden. Es ist erstaunlich, wie sich Schwarzwald von behördlicher Beton-Mentalität nicht irre machen ließ und ihre Ideen konsequent weiterverfolgte. Sie betrieb in ihrem Schulgebäude mehrere Bildungseinrichtungen, in der Volksschule etwa saßen Mädchen wie Buben in einer Klasse. Sie setzte auf Ko-Edukation, weil diese „Mädchen klüger und Knaben gesitteter“ machen würde.

Schulklasse der Schwarzwaldschule
ORF/V-set/Benjamin Paya
Reenactment Schulklasse der Schwarzwaldschule

Dabei wurde in Wien nicht einmal ihr in der Schweiz erworbener akademischer Titel anerkannt. So kam es, dass sie einen von ihr engagierten Lehrer als Schuldirektor einsetzen musste. Ein Strohmann, denn natürlich zog sie im Hintergrund weiter die Fäden. Von ihren Freunden wurde sie nur noch „Fraudoktor“ genannt – immer in einem Wort geschrieben.

Eugenie Schwarzwald in jungen Jahren vor einem Spiegel
ORF/V-set/Benjamin Paya
Reenactment Eugenie Schwarzwald in jungen Jahren

Legendär sind die Feste, die Eugenie Schwarzwald gemeinsam mit ihrem Ehemann in ihrem Salon ausrichtete: Zum einen, weil absolutes Alkoholverbot bestand, zum anderen, weil sich dort „toute Vienne“, jedenfalls die Avantgarde der Stadt einfand. Schwarzwald ging es nicht um das Einsammeln von Prominenz, sondern von Talenten, die sie miteinander vernetzte. Zu organisieren und zu helfen war ihr in die DNA eingeschrieben. 

Eugenie Schwarzwald in Wien
ORF/V-set/Benjamin Paya
Reenactment Eugenie Schwarzwald in Wien

Ein inniges Verhältnis pflegte sie zu Adolf Loos, der bei ihr unterrichtete und Inneneinrichtungen gestaltete. Er sollte auch ihr Lebenswerk architektonisch umsetzen: ein Schulzentrum auf dem Semmering. Eugenie Schwarzwald spielte auch eine Rolle, als es zum skandalösen Prozess gegen Loos kam: Er hatte zwei acht- bzw. zehnjährige Mädchen nackt gemalt und missbraucht. Der Architekt verantwortete sich mit einem „sittlichen Aufnahmetest“, den er für Schwarzwalds Schule durchgeführt habe. Eugenie war erschüttert und wies diese Darstellung zurück, verteidigte den Pädophilen dennoch als großen Künstler.

Eugenie Schwarzwald
ORF/V-set/Benjamin Paya
Reenactment Eugenie Schwarzwald

Das geplante große Schulzentrum am Semmering sollte nie Realität werden, das Nazi-Regime kam dem zuvor. Der Jüdin Eugenie Schwarzwald gelang – schon schwer von einer Krebserkrankung gezeichnet – die Flucht. 1940 starb sie in Zürich.  

Regie
Alex Wieser

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