Die Nikobaren - Auferstehung eines Archipels

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„Auf den Nikobaren zu filmen war für mich eine Erfahrung, die ich jedem im Leben einmal wünsche!“ Mit diesen Worten schwärmt der indische Regisseur und Kameramann Varun Alagar Surendran von seinen Dreharbeiten auf der im Indischen Ozean gelegenen Inselgruppe.

Ein tropisches Paradies, bedeckt von Mangroven- und immergrünen Wäldern und einer atemberaubenden Vielfalt an Wildtieren, von denen viele endemisch und einzigartig sind. Die Nikobaren erstrecken sich 1.300 Kilometer östlich des indischen Festlandes, entlang einer gefährlichen tektonischen Verwerfung im Golf von Bengalen. „Diese außergewöhnliche Lage der Inselkette ermöglicht uns seltene Einblicke in die urzeitliche Vergangenheit tropischer Inseln“, so Surendran. Die Inseln sind sozusagen ein Testfeld für die Widerstandsfähigkeit des Lebens.

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Ein Nikobar-Langschwanz-Makake frisst in einer Astgabel sitzend ein Stück Obst. Sein etwas längeres Fell ist bräunlich bis grau.
@pre tv
Die Nikobar-Langschwanz-Makaken scheuen sich nicht die Kokosnussplanatgen der Einheimischen zu plündern.
Ein Nikobaren - Spitzhörnchen sitz wachsam auf einem Ast. Das Fell an der Oberseite rotbraun. Es besitzt einen langen Schwanz.
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Bei Gefahr gibt das Nikobaren-Spitzhörnchen schrille Warnrufe ab, wenn es Fressfeinde, wie den Nikobaren-Schlangenadler, wittert.
Zwei Nikobar-Großfußhühner laufen am Waldboden entlang. Sie besitzen einen braunen Körper,  einen kleinen grauen Kopf und strake Beinen sowie große Füße.
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Das Nikobar-Großfußhuhn ist ein sehr versteckt lebender Zeitgenosse, der auf den Böden der Küstenregenwälder nach Nahrung sucht.
Eine Nahaufnahe des Kopfes und Halses eines Bindenwaranes am Waldboden. Das Tier besitzt eine dunkelbraune Haut mit gelben Tupfern.
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Der Bindenwaran ist bei seiner Nahrung nicht wählerisch. Er plündert auch die Nester des Nikobaren-Großfußhuhns.

Häufige Erdbeben, tropische Stürme, Regen- und Trockenzeiten sowie die Invasion fremder Arten führten zu wiederkehrenden Zyklen von Katastrophen und Phasen der Erholung. Diese Naturgewalten haben die Inseln, und alles Leben auf ihnen, immer wieder neu geformt.

Doch am 26. Dezember 2004 rückte das entlegene Gebiet plötzlich in den Fokus der weltweiten medialen Aufmerksamkeit. Ein Unterwasserbeben vor der indonesischen Insel Sumatra löste eine Reihe von verehrenden Tsunamis aus. Sie verwüsteten ganze Küstenstreifen Südostasiens – forderten Hunderttausende Menschenleben. Eine Megakatastrophe, auch für die Ökosysteme der Nikobaren.

Seither ist es der Natur gelungen, sich in einem bemerkenswerten Tempo zu erholen. Doch es ist ein Prozess, der immer noch andauert. Varun Alagar Surendran hat auf seinem Abenteuer mit der Kamera Ruinen und Reste küstennaher Wälder, aber auch pulsierendes, neues Leben entdeckt. Mehrere Generationen nach der Katastrophe haben sich die wenigen Überlebenden dieser Ökosysteme in ihren Beständen regeneriert und fordern nun ihre einstigen Habitate zurück.

Die meisten der 22 Eilande der Nikobaren sind von Menschen unbewohnt, größtenteils für Besucherinnen und Besucher gesperrt und als UNESCO-Biosphärenreservat streng geschützt. Eine Drehgenehmigung zu bekommen entpuppte sich als eine der größten Hürden für Surendran: „Wir mussten uns in sechs unterschiedlichen Büros und Abteilungen bewerben, um die Genehmigungen zu erhalten. Und uns dazu verpflichten, nur Landschafts- und Tieraufnahmen zu machen. Kontakt zur indigenen Bevölkerung ist strengstens verboten – das Risiko Krankheiten zu übertragen ist zu hoch.“

Auf einem Bett ist das Kameraequipment für die Drehs aufgelegt.
@Varun Alagar Films
Ein Teil des Kameraequiments, das für die Drehs verwendet wurde.

Auf den Nikobaren angekommen, geriet das Zwei-Mann-Team auch körperlich beinahe an seine Grenzen. Abgeschnitten von jeglicher Zivilisation, ohne Satellitentelefon oder Anbindung an Straßennetze, hieß es auf das eigene Überleben zu achten und dabei auch noch die Schönheit der Natur einzufangen. Die hohe Luftfeuchtigkeit und die enorme Hitze waren eine Herausforderung für die Kameramänner, Gewitter und Regengüsse standen auf der Tagesordnung. Stets begleitet von Moskitos und Sandmücken mussten sie jedes Sonnenfenster bestmöglich nutzen. Der abenteuerlustige Kameramann berichtet von einem seiner Drehs, als er versuchte das versteckt lebende Nikobaren-Großfußhuhn zu filmen. „Es war absolut furchtbar! Auch wenn es gleichzeitig wunderschön und erfüllend ist, das Tier nach tagelangem Ausharren in einem Zelt endlich für wenige Minuten vor die Kameralinse zu bekommen, sitzt man dennoch ganztägig im Versteck – umgeben von Stechmücken und unmenschlichen Temperaturen.“

Die wohl faszinierendsten Tiere der Inseln sind die Nikobaren-Langschwanzmakaken. Mit erstaunlicher Leichtigkeit bewegen sich diese Primaten vom Unterholz bis in luftige Höhen. Die intensiv erforschten, hochintelligenten Tiere passten sich nach der Tsunamikatastrophe schnell an die neuen Gegebenheiten an. Mit der Kamera folgte ihnen Varun Alagar Surendran in unterschiedlichste Lebensräume und traf dabei auch auf riesige Salzwasserkrokodile, Warane und Spitzhörnchen.

Regisseur Varun Alagar Surendran liebt die Wildnis

Schon als kleines Kind war Surendran mit seiner Familie gerne in der Natur unterwegs. Inspiriert durch seinen Vater, begann er zu fotografieren – konnte so seiner Verbundenheit mit der Wildnis Ausdruck zu verleihen. Bald darauf folgten erste Videos sowie ein Masterstudium in „Science and Natural History Filmmaking“ in Neuseeland. Heute ist der 31-Jährige in den entlegensten Gebieten Indiens unterwegs. Vom Dach der Welt bis in die Regenwälder des Südens fängt er die unzähligen Facetten der Natur mit spektakulären Aufnahmen ein.

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@Varun Alagar Films
@Varun Alagar Films
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Vielfältige Landschaften haben auch die Nikobaren zu bieten. Neben den Mangroven und Küstenregenwäldern sind es auch Unterwasserwelten, die den jungen Kameramann faszinieren: „Mir geht es darum aufzuklären, wie alles Leben miteinander verbunden ist, wie Nahrungsketten aufgebaut sind und wie einzelne Ökosysteme voneinander abhängig sind.“ Spätestens seit dem verheerenden Tsunami ist dies besonders deutlich geworden. Mangroven stellen eine natürliche Barriere für Flutwellen dar. „Sie sind sozusagen der Schutzzaun für die Insel. Überall dort, wo sie auf den Nikobaren wachsen, blieb das Hinterland zur Gänze vom Tsunami verschont. Mein Team und ich haben aber auch ein Stück Regenwald besucht, das von der Flutwelle getroffen wurde. Es war wirklich deprimierend. 20 Jahre später fanden wir immer noch einen toten Wald mit Tausenden von abgestorbenen Bäumen vor. Denn das Salzwasser schadet den Pflanzen und entzieht ihnen ihr Wasser“, so Surendran weiter.

Die Flutwelle hat auf den Nikobaren mehr als 5 Prozent der Landmasse zerstört, das entspricht einer Fläche von 10.000 Fußballfeldern. Darüber hinaus wurden 97 Prozent der Mangrovenwälder komplett vernichtet. Während manche Küstenabschnitte um mehrere Meter angehoben wurden, stehen Teile der Inseln nun unter Wasser. Einziger Lichtblick: Die Natur regeneriert sich stets. „Das ist auch einer der Schlüsselaspekte im Film. Wir zeigen, mit welcher Resilienz die Natur aufwarten kann und wie das Leben immer wieder seinen Weg findet“, sagt Surendran.

Nach zahlreichen Arbeiten für internationale Sender wie BBC, PBS und NatGeo ist es nun Varun Alagar Surendrans erster Einsatz für die Sendereihe UNIVERSUM.

Im Sommer 2023 hat die Postproduktion in Wien begonnen. Ausgestrahlt wird die neue UNIVERSUM-Dokumentation „Die Nikobaren – Auferstehung eines Archipels“ 2024. Das Publikum kann sich auf eine exklusive Reise zu einer unbekannten Inselwelt freuen.

Film und Regie: Varun Alagar Surendran
Produktion: pre tv