Ein Fenster zur Welt
Vor 70 Jahren saßen die Menschen allabendlich gemütlich beisammen, sangen vielleicht Wiener Lieder oder Mozartmelodien, die Fortschrittlicheren darunter pfiffen möglicherweise sogar die coolen Sounds, die da vom anderen Ufer des Atlantiks herüberschallten, nach. Am 1. August 1955 allerdings war alles schlagartig anders, denn das Fernsehen schlug auch in Österreich erstmals sein elektronisches Auge auf.

Eine junge Dame namens Franziska Kalmar, die frisch angetraute Ehefrau des Burgschauspielers Fritz Muliar, begrüßte das Publikum zu dem „Technischen Versuchsprogramm“. Denn gesendet wurde noch aus einem knapp 20 Quadratmeter großen Klassenzimmer einer Meidlinger Schule. Erst wurde Beethovens Egmont-Ouvertüre, gespielt von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler, geboten. Dann folgte die Livediskussion einiger Chefredakteure zum Thema „Wird das Fernsehen den Zeitungen schaden?“. Nach knapp einer Stunde war das Premierenprogramm beendet.

In Hinkunft meldete sich das österreichische TV an drei Tagen der Woche, erst 1959 sollte man auf den Siebentagebetrieb umstellen. Der damalige Bundeskanzler Julius Raab zeigte sich skeptisch, soll er doch gesagt haben, dass „sich das Büldlgspül net durchsetzen wird“. Dass es doch ganz anders kam, das beweist die Geschichte. Am 5. November 1955 waren die Spitzen der Bundesregierung samt Bundespräsident Theodor Körner in Jubelstimmung, wurde doch mit „Fidelio“ nicht nur die Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper gefeiert, sondern auch die allererste Liveübertragung des Senders. Beethovens „Befreiungsoper“ wurde nach dem 2. Weltkrieg zum nationalen Symbol des Neubeginns.

Das neu erfundene Medium hat maßgeblich zur Konstruktion einer nationalen Identität im Nachkriegsösterreich beigetragen. Etwa mit Sendungen wie die „Fernsehfamilie Leitner“ mit Publikumslieblingen wie Alfred Böhm, Gertraud Jesserer oder Peter Weck. Eine frühe Form der Seifenoper, die im Jahr 1958 erstmals ausgestrahlt wurde, die das Wohl und Wehe einer bürgerlichen Wiener Mittelstandsfamilie in den 1950er und 1960er Jahren widerspiegelte.

Für Vergangenheitsbewältigung und einen veritablen Skandal im TV sorgten Helmut Qualtinger und Carl Merz mit dem Monolog „Herr Karl“ im Jahr 1961 und schrieben damit Geschichte. Sie setzten sich darin u.a. mit der Zeit des Austrofaschismus, dem sogenannten „Anschluss“ und mit der in Österreich gelebten weinerlichen Wehleidigkeit ebenso wie mit der Hinterfotzigkeit auseinander. Ganz Österreich wusste am nächsten Tag, wer Helmut Qualtinger war und das Zerrbild eines typischen Österreichers war geboren.

Für ähnlich heftige Diskussionen in der Bevölkerung sorgte in den 1970er Jahren Ernst Hinterberger mit seiner Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“. „Mein TV is net deppert“ würde „Mundl“ alias Karl Merkatz vielleicht heute sagen, denn die Geschichten rund um Edmund Sackbauer haben längst Kultstatus.
Von Peter Turrinis „Alpensaga“ bis Felix Mitterers „Piefke-Saga“, von Oscar-Preisträger Christoph Waltz` ersten Gehversuchen im TV bis zu „Jetzt hat uns die den Schas gewonnen“, als Conchita Wurst beim Songcontest in Kopenhagen triumphiert hatte.
Der kulturMONTAG mit einem Streifzug durch Kulturproduktionen im Patschenkino.
TV-Beitrag: Sandra Krieger