Der Ton macht die Musik
Was hat der Kultsong „Seven Nation Army“ der legendären US-amerikanischen Band „White Stripes“ mit Anton Bruckner zu tun? Wie viele Straßen und Gassen mit dem Namen Anton Bruckner gibt es in ganz Oberösterreich und welches Verhältnis haben die Bewohner zu seiner Musik? Und wie klingen eigentlich 10 seiner Symphonien um das 666-fache gestreckt? Am 4. September 1824 wurde Oberösterreichs Aushängeschild in Ansfelden geboren, Bruckners Geist samt seinen Kompositionen finden auch im zeitgenössischen Kunstbetrieb seinen Widerhall.
Im Auftrag von Norbert Trawöger und seinem Team der ersten oberösterreichischen KulturEXPO Anton Bruckner 2024 entstehen ungewöhnliche Projekte, die Bruckners Kosmos neu interpretieren. Im Spannungsfeld zwischen Hoch –, Populärkultur und Avantgarde widmet sich etwa das zehnköpfige E-Gitarren-Ensemble NoFive dem berühmten Gitarrenriff der White Stripes, das in Wahrheit aus Bruckners Fünfter Symphonie stammt.
Kein Akt der Aneignung, sondern vielmehr ein Hybrid aus Bruckner, White Stripes und den lauten Elektrogitarrensinfonikern als monströse Soundästhetik ist dabei entstanden. Dynamisch geht es bei David Wagners Experiment zu. Denn der Grazer Musiker radelt in diesem Jahr gänzlich unmotorisiert, ausgestattet mit Helmkamera und Feldmikrofon durch ganz Oberösterreich, fährt die rund 60 Anton-Bruckner-Straßen oder Gassen ab, die es gibt – und bringt so die Bevölkerung ganz direkt mit dem großen Komponisten in Kontakt. Dort sammelt er Tonspenden von kurzen Motiven aus den 9 Bruckner-Symphonien auf Video und erstellt daraus einen 9-minütigen Musik-Film.
Märchenhaftes hat sich Schallkünstler Peter Androsch einfallen lassen. Er lädt in seinem geheimnisvollen Projekt „Klangwald“ ein in Anton Bruckners Genius einzutauchen. Auf der Lichtung im Kürnberger Wald, ein forstwirtschaftlich genutztes Naherholungsgebiet an der Donau im Westen von Linz erlebt man radikale Entschleunigung. 10 Bruckner Symphonien erklingen durch Dehnung und Wiederholung als Kontinuum, in dem das Rauschen der Blätter, das Singen der Vögel, das Knarren der Bäume und die Hörner der fernen Schiffe zu einem mystischen Brucknerklang verschmelzen.
Wie man sich Anton Bruckner nähert, dem ist Markus Poschner, Chefdirigent des Bruckner Orchesters Linz seit 2017 auf der Spur. Für den Münchener sind seine Symphonien allesamt Experimentieroberflächen, Laboratorien, in denen es radikal zugeht, auf der Suche nach dem perfekten Konzept. Er erarbeitet zurzeit mit dem RSO Wien eine CD-Edition aller Bruckner-Symphonien in diversen Fassungen, die pünktlich zu Bruckners 200. Geburtstag im September erscheinen wird.
Wer war dieser Anton Bruckner, wie hat ihn die Musikgeschichte geprägt und warum er ihm das Bombastische ausgetrieben hat, das erzählt Markus Poschner im Gespräch mit Clarissa Stadler live im Studio.
TV-Beitrag: Barbara Pichler-Hausegger