Aufforderung zum Dialog
„Einst sei Israel der Zufluchtsort der Juden gewesen, heute stellt sich die Frage, welche Gesellschaft daraus entstehen kann“, sagt Filmemacher Amos Gitai. Seit mehr als 50 Jahren widmet er sich dem Land in all seinen Widersprüchen, Konflikten und Kriegen. Gitai gilt als einer der renommiertesten Regisseure Israels, mit seinen Filmen, die um Trauma und Konflikt kreisen ist er zum schonungslosen Chronisten des Nahost-Konflikts geworden.

Schon als junger Architekturstudent, dessen Vater, der Bauhaus-Architekt Munio Weinraub 1933 aus Nazi-Deutschland geflohen war wurde er mit den Schrecken des Krieges konfrontiert. 1973, im Jom-Kippur-Krieg wurde er als Reservist von der israelischen Armee einberufen und während der Kampfhandlungen schwer verletzt. Eindrücke und Bilder des Grauens, die ihn nie wieder losgelassen haben.

Seit fast 30 Jahren kreist Gitai immer wieder um ein Thema: die Ermordung des israelischen Premierministers Jitzchak Rabin im Jahr 1995 durch einen rechtsextremen Studenten und Mitglied der Siedlerbewegung während einer Friedenskundgebung in Tel Aviv. Das Attentat markierte einen Wendepunkt in der israelischen Politik, da sie den Friedensprozess zwischen Israel und Palästina plötzlich zum Erliegen brachte.

Dabei hatten erst zwei Jahre zuvor Rabin und PLO-Vorsitzender Yasser Arafat mit dem Osloer Abkommen, das einen Abzug der israelischen Armee aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen sowie eine palästinensische Selbstverwaltung bei gleichzeitigem Gewaltverzicht der Palästinenser vorsah, den Friedensprozess gestartet. Schon 2015 hat Amos Gitai in seinem Film „Rabin, the Last Day“ die Ereignisse festgehalten.

Für das Wiener Burgtheater erarbeitet Gitai mit den Schauspielerinnen Bibiana Beglau und Dörte Lyssewski jetzt sein Stück „Chronik eines Mordes“, in dem er den Mord an Rabin wieder aufgreift. Das Wiener Filmmuseum widmet dem 73-Jährgen, der zwischen seiner Heimatstadt Haifa und Paris pendelt eine umfassende Retrospektive.

In Zeiten eines eskalierenden Kriegs, von Spaltungen, antisemitischer Gewalt und einer unerbittlichen Flut von Fake News bieten seine Arbeiten Raum zum Zuhören, zum Nachdenken und sie fordern auf zum Dialog für eine friedlichere Zukunft.
TV-Beitrag: Sandra Krieger