Davon geht die Welt nicht unter
Er sorgte bei Kinogängern für Gänsehaut und versetzte Konzertbesucher in schiere Begeisterung: György Ligeti hat Avantgarde-Musik für ein großes Publikum erschlossen. Seine Streicher-Einsätze waren so groß und nicht fassbar wie das All, seine Chorstimmen summten fast wie elektronisch. Mit seiner hypnotischen Musik hat der ungarische Komponist, der heuer im Mai 100 Jahre alt geworden wäre, Hollywoodfilmen wie „2001 - Odyssee im Weltraum“, „Shining“ und „Eyes Wide Shut“ Tiefe und Bedrohlichkeit verliehen.
Die Kompositionen, die Meisterregisseure wie Martin Scorsese und Stanley Kubrick so gern einsetzten, sind der bekannteste Teil eines großen und facettenreichen Werks. György Ligeti kam durch Kubrick zwar zu Ruhm kam, aber nicht zu Geld. Denn der Meisterregisseur hatte für seine Space Odyssey Ligetis „Atmosphères“ einfach geklaut. Ligeti war wohl der populärste unter den Avantgardisten, auch wenn er mit seinen komplexen Kompositionen kompromisslos neue Wege beschritt.
Geboren 1923 als Kind ungarischer Eltern in Siebenbürgen, wurden sein Vater und sein Bruder von den Nationalsozialisten ermordet. 1956 floh er nach dem Ungarn-Aufstand nach Wien und nahm später die österreichische Staatsbürgerschaft an. Aus seiner alten Heimat nahm er wesentliche Einflüsse mit, wie etwa Tonschöpfungen von Bèla Bartòk. Ideologien allerdings misstraute er zeit seines Lebens.
Mit seiner einzigen Oper „Le Grand Macabre“ gelang Ligeti 1973 ein großes diskursives Welttheater, in dem er nichts weniger als eine bevorstehende Apokalypse zu Fall bringt: In ein imaginäres, korruptes Schlaraffenland – in das „verfressene, versoffene und verhurte“ Breughelland – platzt eines Tages der Tod alias „Nekrotzar“ alias der dämonische „Große Makabre“, um die unmittelbare Zerstörung der Welt und der frivolen Menschheit zu verkünden. Durch die ihm unbekannten Gelüste des Lebens verführt und überwältigt, stirbt am Ende aber ausschließlich „Nekrotzar“ selbst.
Der belgische Regie-Star Jan Lauwers, der auch für Choreografie und Bühnenbild verantwortlich ist, inszeniert an der Wiener Staatsoper diese Geschichte des Weltuntergangs in üppigen Bildern. Die gesamte Szenerie des „Grand Macabre“ ist mit den Gemälden von Pieter Brueghel verbunden, jede einzelne der Körperarbeiten von ihm inspiriert. Ein Mysterienspiel, voll von absurdem Klamauk und schwarzem Humor, in dem der Jüngste Tag schlussendlich in einem kollektiven Besäufnis verschlafen wird.
TV-Beitrag: Barbara Pichler-Hausegger