Idyll & Verbrechen
Sein Berghof war eine Machtzentrale des sogenannten Dritten Reichs, ein Täterort, an dem Adolf Hitler weitreichende und todbringende Entscheidungen getroffen hat. Seit 1999 dient die „Dokumentation Obersalzberg“ in Berchtesgaden als Lern- und Erinnerungsort zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die mehr als 170 000 Besucher jährlich verzeichnet. Um rund 30 Millionen Euro wurde der Ausstellungsort jetzt erweitert und adaptiert.

Lange wurde der Eröffnungstermin erwartet, nach sechsjähriger Bauzeit gilt die Schau über die enge Verbindung des Obersalzbergs mit den Massenverbrechen des Nazi-Regimes als Leuchtturmprojekt Bayerns. Ein Team des Zeitgeschichte Instituts entwickelte das Konzept, das mit mehr als 350 Exponaten und zahlreichen multimedialen Elementen die Geschichte des Obersalzbergs neu vermitteln soll.

Ein geschichtsträchtiger Ort, den Adolf Hitler vor genau 100 Jahren erstmals für sich entdeckte. Während der 1930er-Jahre wird der „Berghof“, Hitlers Landhaus zu einem Wallfahrtsort: Bis zu 2000 „Verehrer“ pilgerten täglich in die bayrischen Alpen, um einen Blick auf jenen vermeintlich schlichten Ort zu werfen, an dem der „Führer“ neue Kräfte schöpfte. Ein Personenkult, der immer groteskere Formen annahm. In Sonderzügen wurden „Hitler-Touristen“ nach Berchtesgaden gebracht; die Wallfahrer nahmen stundenlange Wartezeiten in Kauf, um Hitler zu sehen. In Sprechchören riefen sie nach ihrem „Führer“, sammelten Kieselsteine, auf denen Hitler gestanden haben soll, oder wuschen sich gar nicht mehr die Hände, wenn ihnen der Diktator die Hand gereicht hatte.

Tatsächlich unterhielt Hitler an seinem zweiten Regierungssitz in Obersalzberg jedoch einen illustren Hofstaat, an dem er einige seiner verhängnisvollsten Entscheidungen traf. Geschickt inszenierte die nationalsozialistische Propaganda mitten in der idyllischen bayrischen Landschaft den Mythos des nahbaren Volksfreunds.

Seit 24 Jahren zählt die „Dokumentation Obersalzberg“ zu den international bedeutenden Einrichtungen. Mehr als drei Millionen Menschen besuchten das Dokumentationszentrum der NS-Gewaltherrschaft, ehe es wegen des Umbaus geschlossen wurde. Im Fokus der neuen Ausstellung steht die Verbindung der idyllisch gelegenen Bergresidenz mit den Tatorten und Opfern der Verfolgungs- und Mordpolitik in ganz Europa. Ein Lokalaugenschein.
TV-Beitrag: Nicola Eller & Harald Wilde