Der charismatische Monsieur Picasso
Frauen waren sein Lebensthema, in seiner Kunst vergötterte und demontierte er sie, boten sie ihm die perfekte Projektionsfläche. Unablässig suchte Pablo Picasso nach Erneuerung in seiner Kunst wie im Leben. Die Zahl seiner Stile deckt sich einigermaßen mit jener seiner wichtigsten Frauenbeziehungen. Da war Jacqueline, die Schwarzhaarige mit den großen dunklen Augen. Von ihr hat er in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens Tausende Bilder gemalt. In allen erdenklichen Variationen, in unermüdlicher Produktivität. Seine erste Muse war „la belle Fernande“. Sie trat in sein Pariser Bohémien-Leben, als Picasso gerade seine Rosa Periode zelebrierte. Oder die grazile Olga, eine Ballerina, deren Porträts ein Anflug von Melancholie umwehen. Mindestens neun Frauen haben als Geliebte, Ehefrauen oder Affären in der Kunst Picassos ihren Widerschein hinterlassen.
Angela Rosengart, eine Galeristen Tochter war sein Schweizer Modell. Geboren 1932 saß sie dem Maler wieder und wieder Modell in seinem Domizil in Südfrankreich in dem Dorf Vallauris. Angela Rosengart, eine zierliche Gestalt und federleicht, ist heute das Schwergewicht der Luzerner Kunstszene. Begonnen hat ihre Kunstleidenschaft mit der Galerie ihres Vaters. Siegfried Rosengart eröffnete Anfang der 1920er Jahre eine Galerie für Klassische Moderne für begüterte Sommerfrischler in Luzern.
Schon in jungen Jahren tauchte Angela in die Kunstszene ein und lernte Pablo Picasso, Marc Chagall, Oskar Kokoschka oder Paul Klee kennen. Als die Wohnung für die hochkarätige Sammlung zu klein wurde, entstand die Idee eines Museums. Vor mehr als 20 Jahren hat Angela Rosengart im ehemaligen Regionalsitz der Schweizer Nationalbank, einem weiß getünchten neoklassizistischen Gebäude, ihre Sammlung öffentlich gemacht.
Jahrelang habe sie in ihrem Wohnzimmer unter einem riesigen Picasso-Gemälde gesessen, „weil das damals niemand haben wollte,“ erinnert sie sich heute. Zu Picasso hat Angela Rosengart eine besondere Beziehung. Fünf Mal hat der berühmte spanische Maler sie gezeichnet, was lange Zeit kaum jemand wusste. „Von ihm ging eine Art elektrische Strahlung aus. Picasso verfügte über eine riesige Präsenz, in einem Raum sah man nur ihn, ohne dass er etwas dafür getan hätte. Er hatte einfach dieses Charisma.“, erzählt Angela Rosengart im Interview. Dass sie Picassos Muse war, lehnt sie kategorisch ab. Eine Frau von Format und klaren Prinzipien, die wohl auch auf den Meister Eindruck gemacht haben muss.
Schon bei ihrer ersten Begegnung, im Jahr 1949 in seinem Atelier in der Rue des Grands Augustins in Paris, will er sie unbedingt zeichnen. Sie versucht, eine halbe Stunde lang mucksmäuschenstill zu sitzen, und ist schrecklich eingeschüchtert von dem agilen, energetischen Mann. Währenddessen versucht ihr Vater mit der Kamera, den historischen Moment festzuhalten. Vier weitere Sitzungen in Südfrankreich folgen. Danach war sie überglücklich, allerdings auch erschöpft, wie von einer schweren körperlichen Arbeit.
„Picasso war der erste Mann, der mich als Persönlichkeit wahrnahm - und auch so behandelte.", verrät sie gerührt über ihre Begegnungen. „Pour Angela Rosengart“ schreibt der Maestro schwungvoll unter die Blätter. Sie sind die wohl persönlichsten Kunstwerke in der Sammlung. Anlässlich des 50. Todestags Picassos hat der kulturMontag die betagte, aber immer noch vitale Kunsthändlerin und Museumsleiterin in Luzern besucht und über ihren Lieblingsmaler Picasso und ihre Leidenschaft für die Kunst gesprochen.
TV-Beitrag: Markus Greussing