Nackte Meister
Praktisch über Nacht wurde er berühmt, als sein Bild eines onanierenden Jungen 1963 von der Polizei in einer Berliner Ausstellung beschlagnahmt wurde. Der Eklat war groß, der Skandal perfekt und der damals erst 25-jährige Maler aus der DDR in aller Munde. Heute ist sein Name aus der europäischen Kunstgeschichte nicht mehr wegzudenken, stellte Georg Baselitz doch die Kunstwelt radikal auf den Kopf. Seit mehr als 50 Jahren sorgt Baselitz für Kontroversen in der Kunstwelt durch seine umstrittenen Ideen und Denkweisen. Provokation aus Prinzip? Der Schluss liegt nahe, wenn man seine Botschaften unter die Lupe nimmt: Seine DDR-Kollegen seien „Arschlöcher“, Frauen könnten schlechter malen als Männer und die documenta verdiene die Bezeichnung „Paralympics“. Diesen Kampfmodus hat Georg Baselitz nie abgelegt.
Der Sachse, geboren als Hans-Georg Kern, erinnert mit seinem Künstlernamen an den Geburtsort Deutschbaselitz bei Dresden. Schon als Teenager entdeckte er die Malerei und wollte zum Entsetzen seiner Eltern auch noch Künstler werden. Doch anpassen wollte er sich nie. Schon beim Studium an der Ostberliner Kunsthochschule eckte er an, widersetzte er sich doch massiv dem propagierten Stil des Sozialistischen Realismus. Stalins Propagandakunst abzulehnen, bedeutete den Rausschmiss. Das Studium vollendete er in Westberlin. Mitte er 1960er Jahre fand er zu seinem ganz eigenen Stil. „Ich bin in eine zerstörte Ordnung hineingeboren worden, in eine zerstörte Landschaft, in ein zerstörtes Volk, in eine zerstörte Gesellschaft. Und ich wollte keine neue Ordnung einführen. Ich hatte mehr als genug sogenannte Ordnungen gesehen“, so beschrieb er einmal sein Credo. Der Nationalsozialismus und die SED-Diktatur haben ihn nie losgelassen. Er demontiert Heroen und attackiert Mitläufer.
In seiner kruden Malerei und den grob gesägten Holzskulpturen arbeitet er sich konsequent an der deutschen Geschichte ab. Auch, indem er seine Figuren seit 1969 konsequent auf den Kopf stellt und damit die Sehgewohnheiten bricht. Baselitz, der gern im Stil eines Malerfürsten auftritt, gehört heute zu den weltweit erfolgreichsten Kunstschaffenden. Seit mittlerweile zehn Jahren lebt Georg Baselitz mit seiner Frau in Salzburg und feierte Anfang des Jahres seinen 85. Geburtstag.
Grund genug für das KHM den radikalen Meister mit einer Ausstellung zu würdigen. Kein gewöhnliches Unterfangen ist geplant, denn Baselitz tritt hier in einen Dialog mit den Alten Meistern. „Adam & Eva“, Lukas von Cranachs Sündenfall, Tizians „Diana und Callisto“ oder Rubens berühmtes Bild „Das Pelzchen“ treffen auf jede Menge nackter Haut des Malers selbst und der seiner Frau. Idealisierte Schönheit als hohles Pathos lehnt er kategorisch ab, und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn Raffaels Heiligenbilder bei ihm auf der Abschussliste stehen.
Der kulturMontag zeigt die spannende Schau und Clarissa Stadler trifft den neoexpressionistischen Meister mitten unter den Alten Meistern zum Gespräch.
TV-Beitrag: Stefanie Simpkins & Clarissa Stadler