Ein abgründiger Charakter

Cate Blanchett im oscarnominierten Film „Tár“

Werbung Werbung schließen

Sie ist berühmt und bewundert, gefürchtet und sexueller Übergriffe verdächtigt. Lydia Tár ist die erste Chefdirigentin eines deutschen Orchesters, eine Frau auf Erfolgskurs, die ihre Vormachtstellung dazu benutzt, um ihre erotischen Gelüste zu befriedigen. Ist diese lesbische Frau, die junge Frauen nicht nur aufgrund ihrer Talente fördert, sondern auch dafür Gegenleistungen erwartet eine echte Person?

Filmstill "Tar"
Universal Pictures

Mitnichten, die Figur ist komplett fiktiv. Dass sie das Publikum dennoch dazu bringt, ihren Namen bei Google einzugeben, zeugt von den Qualitäten der Inszenierung von Todd Fields, von der brillanten schauspielerischen Leistung von Cate Blanchett — und von der Brisanz des Filmplots. Denn das Porträt dieser eiskalten und eigenwilligen Kulturkarrieristin macht der vielseitige US-amerikanische Filmemacher auf ausgeklügelte Weise zum Brennpunkt zeitgenössischer Reizthemen.

Cate Blanchett
Universal Pictures

Fields ambivalente Auseinandersetzung mit Cancel Culture, Generationenkonflikten und Machtmissbrauch in der Klassikszene polarisiert in Europa die Filmkritik wie die Klassikbranche. Als manipulativ, sexistisch und narzisstisch werde die toxische Chefdirigentin dargestellt, Eigenschaften, die sonst Männern zugeschrieben werden. Zusätzlich gilt die Welt der Klassik nach wie vor als männerlastig, Chefdirigentinnen sind hier nach wie vor Ausnahmeerscheinungen.

Cate Blanchett als Dirigentin
Universal Pictures

Allein in Deutschland werden von 129 Berufsorchestern gerade einmal vier von Frauen geleitet. Erst jüngst war in Österreich die Diskussion um die Leitung des renommierten Neujahrskonzerts entbrannt, stand am Pult des weltberühmten Klassikereignisses doch noch nie eine Dirigentin. Warum haben Frauen in Führungspositionen der Musikwelt nach wie vor Seltenheitswert? Und sind sie in mächtigen Positionen vor Korrumpierbarkeit gefeit?

TV-Beitrag: Antonia Seierl

Links: