Ende der Zeitzeugenschaft

Wie mit dem Erbe umgehen thematisiert das hdgö

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Ausgezehrt und gerade noch mit dem nackten Leben davongekommen, gaben sie den Alliierten Auskunft. Sie wurden von Psychotherapeuten befragt, standen als Zeugen in den NS-Prozessen in Frankfurt und Jerusalem vor Gericht. Sie saßen in Radiostudios und TV-Talkshows, schrieben später ihre Geschichte nieder, erzählten sie Mitarbeitern der Shoa-Foundation oder Filmemachern wie Claude Lanzmann. Unterdessen sind die letzten Zeitzeugen und Holocaust-Überlebenden hochbetagt; nur wenige von ihnen geben noch Interviews oder besuchen Schulklassen, um mit ihren persönlichen Erinnerungen gegen das Vergessen einzutreten. Wer berichtet über den Holocaust, wenn es keine Überlebenden mehr gibt? Höchste Zeit also, darüber nachzudenken, wie eine Gesellschaft mit dem Erzählten umgehen soll: heute und in Zukunft.

Zeitzeugin
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78 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs stellt das Haus der Geschichte Österreich in Kooperation mit dem jüdischen Museum Hohenems „das Ende der Zeitzeugenschaft“ ins Zentrum einer neuen Ausstellung. Nur noch wenige Menschen können aus eigener Erfahrung und mit eigenen Worten berichten, wie sie die NS-Herrschaft erlebt haben. Was bleibt, sind die Erinnerungen in historischen Filmdokumenten, Briefen, literarischen Zeugnissen und Videointerviews und es bleibt die Frage, wie wir in Zukunft verantwortungsvoll mit dieser Erbschaft umgehen wollen.

Hanno Loewy
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Vor rund vier Jahren konzipierte Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museum im vorarlbergischen Hohenems mit seinem Team die Ausstellung, die seither schon in München und Berlin zu sehen war.  Primär beschäftigten sich die Wissenschaftler nicht mit dem Inhalt von KZ-Überlebenden-Interviews, sondern hinterfragen die Entstehung und die gesellschaftliche Rolle dieser Zeugendokumente im Laufe der Geschichte. Es sind unterschiedliche Zeugnisse von Überlebenden: Augenzeugen, die direkt nach der Befreiung der NS-Konzentrationslager befragt wurden; Tatzeugen, die in den NS-Prozessen der 1960er Jahre aussagten; Zeitzeugen, die schon in fortgeschrittenem Lebensalter versuchten, die Erinnerung wachzuhalten.

Ende der Zeitzeugenschaft?- Ausstellungsansicht
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Die Ausstellung versucht auch, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen: Wie wurden die Menschen befragt, wie wurden die Gespräche präsentiert, ganz oder in Ausschnitten? Ist das Erinnern mit Zeitzeugen ein Mosaik, ein Puzzle unterschiedlicher Eindrücke? Welche Rolle spielen Institutionen, wenn Zeitzeugen nicht mehr vorhanden sind? Wie wichtig ist Aufklärungsarbeit in einer Zeit, in der der Antisemitismus stark ansteigt und die Demokratien fragil geworden sind?

TV-Beitrag: Sandra Ölz

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