Schönheit inmitten des Krieges

Die afghanische Fotografin Fatimah Hossaini

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Als Kind von Eltern, die selbst als Flüchtlingskinder mit deren Eltern nach dem Einmarsch der Sowjets aus Afghanistan geflohen sind, wurde sie 1993 in Teheran im Iran geboren. Nach den Sowjets waren die Taliban gekommen, und ihre Großeltern mussten mit Sorge und Entsetzen zusehen, wie Extremisten Land und Familien entzwei rissen.

Kunstfotografie von Fatimah Hossaini
Fatimah Hossaini

Als Kleinkind ist Fatimah Hossaini im Schatten zweier Afghanistans aufgewachsen. Das eine gleicht dem, was heute in den Nachrichten zu sehen ist: Ein gefährliches Land mit gewalttätigen Führern und verzweifelten Menschen, in dem die Hoffnung an jedem Tag schwindet. Das andere ist ein selten gesehenes Afghanistan: ein wunderschönes Land, reich an Kultur, mit Musik, Küche und farbenfrohen, gemusterten Textilien, die von Region zu Region anders aussehen.

Fotografie von Fatimah Hossaini
Fatimah Hossaini

Ein vielfältiger, lebendiger Ort, in den sich Fatimah verliebt hatte, bevor sie ihn betreten konnte. 2013 besuchte sie die alte Heimat ihrer Eltern zum ersten Mal, doch für sie fühlte es sich an, als wäre es ihre eigene. Fünf Jahre später kehrte die ausgebildete Fotografin, Künstlerin und Kuratorin nach Kabul zurück, um eine Professur anzunehmen - eine von nur drei Professuren für bildende Kunst an der Universität Kabul. Ihre Mutter hielt sie für verrückt: „Warum solltest Du an dieser Ort zurückkehren, wo wir so viel dafür geopfert haben, ihn zu verlassen?”

Kunstfotografie von Fatimah Hossaini
Fatimah Hossaini

Doch für Fatimah fühlte es sich richtig an: Sie bereiste das ganze Land, machte Fotos für eine Vielzahl von Kunden, gründete die Organisation „Mastoorat“, eine Drehscheibe für Künstler und Performer in Kabul. Und sie begann auch mit der Arbeit an ihrem ersten Fotobuch: Porträts von Frauen, von weiblicher Schönheit und Kraft, die in Afghanistan ungesehen bleiben.

Foto von Fatimah Hossaini
Fatimah Hossaini

Ihr Leben, ihre Arbeit und die Liebe zu ihrem Land wurden jäh unterbrochen, als am 8. August 2021 die Taliban Kabul einnahmen. Zuerst konnte sie es nicht glauben, aber als sie von ihrem Balkon aus einen bewaffneten Talibankämpfer Fahnen schwenkend auf einem Motorrad durch die Straße fahren sah - mitten in der Innenstadt von Kabul, in der Grünen Zone, wo bisher Regierungsbeamte und ausländische Diplomaten gewohnt hatten. Da entschied sie sich, die Stadt zu verlassen. Noch während sie die Koffer mit den wichtigsten Habseligkeiten packte, sah sie am nationalen TV-Sender, wie die Taliban den Präsidentenpalast eroberten. Mit viel Glück schaffte sie es gemeinsam mit einer Freundin zum Flughafen, bekam noch einen Sitzplatz auf einem der letzten Passagierflugzeuge und verließ die Stadt noch am gleichen Tag.

Fatimah Hossaini bei Dreharbeiten in Paris
ORF/A.W.Rauscher

Heute lebt Fatimah Hossaini in Paris, setzt sich auf internationalen Plattformen für Frauen- und Flüchtlingsrechte ein. Ihr Fotobuch ist eine Art Tagebuch ihrer Flucht aus Afghanistan - und der Verzweiflung, in die das Land stürzt. Fatimah Hossaini dokumentiert in ihren Bildern nicht nur die blindwütige Zerstörung der Taliban, die Unterdrückung und die Armut. Sie zeigt auch das neue Selbstbewusstsein der Frauen und die vielfältige Schönheit ihrer Heimat.

TV-Beitrag: Alexander W. Rauscher

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