Zwischen Anpassung & Widerstand
In Europa herrscht Krieg. Während westliche Regierungen den russischen Angriffskrieg Wladimir Putins auf das schärfste verurteilen und wirtschaftliche Sanktionen über das Land verhängen, zeigt sich die weltweite Kultur-Community gespalten. Die Kunstwelt reagiert mit internationalen Protesten, zeigt sich solidarisch und laut. Auch österreichische Kultureinrichtungen beziehen dieser Tage Stellung zum Krieg in der Ukraine.

Die Solidaritätsbekundungen reichen von den Bundestheatern über die Salzburger und Bregenzer Festspiele bis hin zur Akademie des österreichischen Films. Ein „Bekenntnis gegen Gewalt und für den Frieden“ veröffentlichen vergangenen Dienstag alle Häuser der Bundestheater Holding: „Wir sind glücklich, als internationale Theater Kunstschaffende unterschiedlichster Nationen auf unseren Bühnen zu vereinen - so auch aus der Ukraine und Russland -, die jeden Abend über politische, sprachliche oder religiöse Unterschiede hinweg Menschen bewegen können“, heißt es in dem Schreiben. Andernorts verlieren russische Künstler*innen ihre Aufträge, werden ausgeladen, nicht mehr beschäftigt oder gekündigt.

Die russische Star-Sopranistin Anna Netrebko und Dirigent Valery Gergiev sorgten weltweit für Schlagzeilen, ist doch ihr Nahverhältnis zu Russlands Präsidenten - obwohl seit Jahren bekannt - jetzt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.

Während Gergiev sich öffentlich nicht von seinem Freund Putin distanzierte und dadurch seine Jobs verlor, hatte Netrebko zwar den Krieg verurteilt, nicht aber Putins Politik. Die Bayerische Staatsoper annulliert das Engagement der russischen Opernsängerin. Sie sei „keine politische Person“, rechtfertigte Netrebko zuvor bei Instagram ihre Position und zog sich auf unbestimmte Zeit von der Bühne zurück.

„Eine unpolitische Haltung in so einem Fall mit dem eigenen Künstler-Dasein zu entschuldigen, beleidigt die Kunst an sich“, kontert der deutsch-russische Tastenstar Igor Levit und widmete diese Woche ein Konzert „allen Menschen in der Ukraine und auch allen in Russland und sonst wo, die Putins Krieg ablehnen und Tag für Tag protestieren“.

Die weltpolitische Krise hat weit reichende Auswirkungen: So streicht zum Beispiel das Linzer Brucknerhaus seine Veranstaltungsreihe „Russischer Dienstag“ als Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine.
Steht die Kulturwelt vor einer Zeitenwende? Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine endet in der Musik- und Veranstaltungsbranche das bislang übliche Laissez-faire. Muss sich ein Künstler politisch positionieren? Wo beginnt die Verantwortung des Einzelnen und wo hört sie auf? Wächst der politische Druck auf Veranstalter? Breitet sich ein moralischer Rigorismus aus und stellt somit russische Künstler vor ein Dilemma? Bedeutet doch ein offener Bruch mit einem Regime, wie Putins Russland nicht nur allzu oft Exil, Haft, persönliche Bedrohung oder gar Mord, sondern auch die Gefährdung der Angehörigen.
Der kulturMontag mit einem Stimmungsbild zwischen Moskau und Wien.
Live im Studio nehmen der Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser und Staatsoperndirektor Bogdan Roščić dazu Stellung.
TV-Beitrag: Eva Maria Kaiser