Ein Kuss zum Valentinstag
Am internationalen Tag der Liebenden, dem 14. Februar schießt das Wiener Belvedere einen der wohl originellsten Pfeile aus, den Gott Amor im Köcher hat. Mitten ins Herz will man Kunstfreunde mit digitalen Originalen treffen und das mit einem der bekanntesten Kunstwerke der Welt, dem Herzstück der Sammlung.
Gustav Klimts berühmter „Kuss“ aus dem Jahr 1907 mutiert zu einem NFT-Projekt. Eine hochaufgelöste digitale Kopie wird in einem 100×100-Raster aufgeteilt. So entstehen 10.000 unverwechselbare Einzelteile, die als „Non-Fungible Token“, kurz NFTs, zum Verkauf angeboten werden.
Der virtuelle Kuss, zumindest eben ein winziges Teilchen in der Größe von 1cm x 1 cm kann um wohlfeile 1850 Euro für die Liebste erstanden werden. Sollte die schalkhafte Idee fruchten, dann könnten die NFTs satte 18,5 Millionen Euro einbringen.
Der Hype um digitale Echtheitszertifikate zieht seine Kreise, nach dem vor rund einem Jahr die digitale Collage des Grafikdesigners „Beeple“ um 70 Millionen Dollar bei Christies in London versteigert worden ist. Mit „Everydays – The First 5000 Days“ brachte es der US-Künstler, der mit bürgerlichem Namen Mike Winkelmann heißt, in die Top drei der wertvollsten lebenden Künstler. Fand damit die endgültige Sprengung der Gattungsgrenzen statt oder bloß die endgültige Simplifizierung von Kunst? In Österreich ist das Belvedere somit das erste Bundesmuseum, das ein Kunstwerk als NFT mintet, also erstellt.
Für Museums-Chefin Stella Rollig ist die Aktion nicht nur ein kurioser Marketing-Gag am Valentinstag, sondern eine vielleicht zukunftsträchtige Einnahmequelle. Der Erlös wäre nicht zweckgebunden, würde aber in einer pandemie-bedingt angespannten finanziellen Situation mehr als hilfreich sein. Denn von einer Normalität ist der Museumsbetrieb bei einem Besucher-Rückgang von 80 Prozent weit entfernt. Allein 2021 hat das Haus mehr als acht Millionen Euro verloren, etwas mehr als sechs Millionen vom Bund ersetzt bekommen, 2,2 Millionen an Verlusten konnten aus Rücklagen beglichen werden. Mit der Expansion des Belvederes nach Salzburg in die neue Residenz steht bis 2026 ein Mega-Projekt an.
Schon im nächsten Jahr feiert das Museum sein 300-jähriges Bestehen und musste den Bau eines geplanten neuen Besucherzentrums aus Geldmangel verschieben. Ankaufsbudget für Kunst ist keines vorhanden. Auch in einer finanziellen Misere dürfen Österreichs Bundesmuseen ihre Sammlungsbestände nicht verkaufen. Ist die angesagte Technologie für digitale Zertifikate somit ein Retter in der Not? Oder dienen die Mega-Deals mit digitalen Kunstwerken vor allem als Propaganda für das Zocken mit Kryptowährungen, wie es Metropolitan-Chef Max Hollein einschätzt? Was bedeutet der Besitz eines Kunstwerks im digitalen Zeitalter?
TV-Beitrag: Eva Maria Kaiser & Harald Wilde