Die Hölle, das sind die Anderen

Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ an der Burg

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Isolation, Ängste, Paranoia, Wut, Verzweiflung - weltweit haben Menschen ihre Erfahrungen gesammelt, was es heißt, mit wenigen anderen eingeschlossen zu sein. Eine Gesellschaft in Quarantäne ist buchstäblich eine „geschlossene Gesellschaft“, in der die Menschen mit wenigen Ausnahmen ihr Leben zum Stillstand bringen. Seit Beginn der Pandemie verbringen die meisten Menschen einen Großteil ihrer Zeit in den eigenen vier Wänden. Während die einen unter Einsamkeit leiden, kann für andere gerade die dauernde Gesellschaft ihrer Mitbewohner zur Last werden.

Jean-Paul Sartre
STF / AFP

Lange vor Corona hat der französische Existentialist Jean-Paul Sartre die menschliche Daseins-Hölle in seinem Stück “Geschlossene Gesellschaft“ beschrieben. Drei Menschen werden in einem Raum eingesperrt. Alle drei sind verstorben. Und ihnen ist schnell klar, dass sie in der Hölle sind. Zuerst sind sie erleichtert, keine Folterwerkzeuge oder ewiges Feuer vorzufinden. Dann werden ihnen ihre Umstände bewusst. Sie können einander nicht entkommen. Und sie sehen einander als Menschen mit Vergangenheit und ohne Zukunft. Was wird diese Versuchsanordnung mit ihnen machen?

Szene "Geschlossene Gesellschaft"
ORF

Der Journalist Jospeh Garcin, die Postangestellte Ines und die wohlhabende Estelle versuchen, was man im Leben so tut: sie wollen den anderen ein Bild von sich selbst vermitteln, mit dem sie sich selbst wohlfühlen. Die existenzielle Freiheit zeigt sich laut Sartre besonders deutlich in Ausnahmesituationen. Sein Credo: „Du bist nicht nur frei, du bist Freiheit. Du kannst nicht nur, du musst wählen: nicht nur was du tust, sondern wer du bist und was du wirst.“

Regina Fritsch, Tobias Moretti und Dörte Lyssewski
ORF

Auch die Coronakrise hätte Sartre nicht als Einschränkung unserer Freiheit verstanden, denn sie sei ebenfalls eine „Grenzsituation“ erklärt Sartre-Kenner Vincent von Wroblewsky. Wir seien dieser Tage in besonderem Maße herausgefordert, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Die Ungleichheit der Menschen sei auch für Sartre im Laufe seines Werkes immer wichtiger geworden, so Wroblewsky. Das habe ihn in seinen späteren Arbeiten zur These gebracht: „Die Freiheit des Einzelnen setzt die Freiheit aller voraus.“

Martin Kušej
APA/HERBERT NEUBAUER

Burg-Chef Martin Kušej bringt den Klassiker aus dem Jahr 1944 mit Dörte Lyssewski, Regina Fritsch und Tobias Moretti auf die Bühne. Über Eigenverantwortlichkeit, Selbstbestimmung und darüber, ob der Mensch zur Freiheit verurteilt ist, wie Sartre sagt, diskutiert Peter Schneeberger mit Tobias Moretti live im Studio.

TV-Beitrag: Susanna Schwarzer

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