'Zum Holocaust-Gedenktag am 27.1.24'

Universum History

Die Wannseekonferenz - Die Dokumentation

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Die Planung der Deportation und Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden am Großen Wannsee.

20. Jänner 1942: In einer Villa am Großen Wannsee in Berlin treffen sich 15 Männer, hochrangige Mitglieder NS-Verwaltung. Sie planen die Deportation und Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden aus Europa. Es geht bei diesem Geheimtreffen um die Umsetzung einer Entscheidung, die von politischen Vertretern des NS-Regimes bereits zuvor getroffen wurde: die euphemistisch betitelte „Endlösung der Judenfrage“, den millionenfachen Mord. Im Rahmen des Holocaust-Gedenktags am 27. Jänner steht die „Universum History“-Dokumentation von Jörg Müllner auf dem Programm von ORF 2.

ORF/ZDF/Klaus Josef Sturm
Im Bild: Das Sitzungsprotokoll der "Wannsee-Konferenz" offenbart, wie deutlich über den geplanten Mord an Millionen Juden in Europa in der Teilnehmerrunde gesprochen wurde. Das historisch einmalige Dokument wird heute gut gesichert im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts verwahrt und gehört zu einer Akte mit der Überschrift "Endlösung der Judenfrage".

Das hochgeheime Protokoll

Von dem Geheimtreffen am Wannsee gab es ursprünglich 30 Exemplare des Protokolls – nur eines hat den Krieg überstanden. Es ist von zentraler Bedeutung, denn es offenbart, wie offen und deutlich über den geplanten Mord an Millionen in der Teilnehmerrunde gesprochen wurde. Das historisch einmalige Dokument wird heute – gut gesichert – in Berlin verwahrt und gehört zu einer Akte mit der Überschrift „Endlösung der Judenfrage“. Sie enthält rund 300 Dokumente zur sogenannten „Juden-Politik“ zwischen 1939 und 1943. Das Protokoll galt als „Geheime Reichssache“ – die höchste Geheimhaltungsstufe im NS-Staat. Die Einladung zur Besprechung am Wannsee kam von Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin, der zentralen Verfolgungs- und Vernichtungsbehörde des NS-Regimes. Die Teilnehmer der Sitzung am Wannsee gehörten verschiedenen Ämtern und Ministerien an, auch wichtige Vertreter der SS und Polizei waren geladen. Ein hochrangiges Gremium zwar, aber eine so weitreichende Entscheidung wie die millionenfache Ermordung der europäischen Juden hätten diese 15 Männer nicht treffen können. Der Beschluss war längst an höherer Stelle gefasst worden: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in- und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann würde das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“, hatte Hitler schon in einer Rede am 30. Januar 1939 gesagt. Der systematische Mord an den Juden begann mit dem Einmarsch der NS-Truppen in die Sowjetunion im Juni 1941. Im Rücken der Wehrmacht folgten Spezialeinheiten der SS und der Polizei, mobile Einsatzkräfte – die sogenannten „Einsatzgruppen“. Sie begannen damit, systematisch Juden zu erschießen. Im Herbst 1941 begannen die großen Deportationen aus dem Deutschen Reich, vor allem in Ghettos und Konzentrationslager „im Osten“. Für Juden und Jüdinnen verschärfte sich die Lage.

ORF/ZDF/United States Holocaust Memorial
Im Bild: Diskriminierung, Entrechtung, Verfolgung gehörten seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 zum leidvollen Alltag von Jüdinnen und Juden. Am 1. April 1933 begann ein reichsweiter Boykott jüdischer Geschäfte. Doch die Maßnahmen des NS-Staats gegen die jüdische Bevölkerung wurden immer rabiater.

Die Heldinnen und Helden des Widerstands

In Deutschland waren Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung – seit der Machtübernahme der Nazis 1933 – bereits leidvoller Alltag. Auch für die 1921 geborene Berlinerin Margot Friedländer. Ihre Mutter versuchte 1938, Papiere für eine Auswanderung zu bekommen, doch ohne Erfolg.

In Wien leisteten die Wiener Sozialdemokratin (1908–2002) Ella Lingens und ihr Mann Kurt Widerstand gegen das NS-Regime, indem sie jüdische Freunde und Freundinnen in der Wohnung versteckten: „Die Idee war, wir versprechen einander, wann immer sich ein Verfolgter an uns wendet, so werden wir versuchen, Hilfe zu leisten. Das waren in erster Linie die jüdischen Freunde, soweit sie nicht sofort beim Einmarsch Hitlers geflüchtet waren“, sagte Lingens dem ORF in einem Interview im Jahr 2001. Doch die Lingens werden verraten – und Ella Lingens nach Auschwitz deportiert.

ORF/ZDF/Yad Vashem, Israel
Im Bild: Der planmäßige Mord an Jüdinnen und Juden begann mit dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Im Rücken der Wehrmacht folgten die sogenannten "Einsatzgruppen", die damit begannen, systematisch Juden zu erschießen. Das Foto zeigt das Massaker am Strand von Skede, nördlich von Liepaja in Lettland im Dezember 1941, bei dem über 2700 Männer, Frauen und Kinder ermordet wurden.

Das erste Experiment

Seit September 1941 fanden in Auschwitz erste Experimente mit dem hochgiftigen Desinfektionsmittel Zyklon B zur Ermordung der Häftlinge statt. Gaswagen waren seit Dezember 1941 in Chelmno, 70 Kilometer westlich von Lodz (Polen), im Einsatz; dort wurden mindestens 152.000 Menschen, vor allem Juden sowie Sinti und Roma, mit Motorabgasen vergiftet. Bereits Mitte September 1941 traf Hitler die Entscheidung, alle Jüdinnen und Juden aus Deutschland in Richtung Osten zu deportieren. Zwar hatte es zuvor bereits Transporte gegeben, doch stellte Hitlers Befehl eine weitere Eskalationsstufe im mörderischen Entscheidungsprozess dar. Es ist kein schriftlicher Befehl Hitlers zum Mord an Europas Juden überliefert. Er gab seine Anweisungen mündlich und allzu viele waren bereit, nicht nur zu folgen, sondern auch mit eigener Initiative zu handeln.

ORF/ZDF/Isa Rekkab
Im Bild: Die 100-jährige Margot Friedländer spricht in der Begleitdokumentation über die Verfolgung von Jüdinnen und Juden im NS-Staat. Sie überlebte den Holocaust, der in der "Wannsee-Konferenz" am 20. Januar 1942 besprochen wurde, als einziges Mitglied ihrer Familie.

Die Anerkennung nach dem Widerstand

Margot Friedländer, die unweit der Villa am Wannsee seit 1940 Zwangsarbeit leisten musste, überlebte als einziges Familienmitglied den Holocaust. 1943 versuchten sie und ihr Bruder Ralph zu fliehen. Doch Ralph wurde verhaftet. Die Mutter stellte sich freiwillig der Gestapo und wurde mit ihrem Sohn nach Auschwitz deportiert. Beide wurden dort ermordet. Ella Lingens überlebte KZ und Krieg. Anerkennung für ihr Engagement erfuhr sie erst spät: In Israel wurde sie 1980 als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Erst 2006 wurde in Wien eine Schule nach ihr benannt, 2012 eine Straße.

Die Villa am Wannsee ist heute eine Gedenk- und Bildungsstätte. Dort erinnert man an die Sitzung vom 20. Januar 1942, bei der der Mord an elf Millionen Menschen besprochen wurde. In der Dokumentation „Die Wannseekonferenz“ kommen renommierte Historikerinnen und Historiker wie Barbara Schieb, Peter Klein oder Götz Aly zu Wort, die den Rassenwahn in NS-Deutschland und den Holocaust untersucht und in zahlreichen Publikationen dargestellt und analysiert haben.

Gestaltung

Jörg Müllner