zeit.geschichte
Gegen den Strom - Was blieb vom Widerstand gegen das NS-Regime?
Aber was bleibt vom mutigen Handeln der Widerstandskämpfer, mehr als 80 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs?
Wie wurden die Werte und Ideale dieser Menschen an die nächste Generation, an die Töchter und Söhne, weitergegeben? Und welche Prägungen haben bis heute Bestand? Die Kinder und Enkelkinder derer, die damals gegen den Strom schwammen, können diese Fragen am besten beantworten. Wie hat die Haltung der Eltern das Leben der Nachkommen beeinflusst? In welchem Klima sind die Kinder herangewachsen – in einem familiären Umfeld des Schweigens oder einem des ununterbrochenen Erinnerns und Erzählens?
Und letztlich die Frage:
warum lohnt es sich heutzutage noch immer zu kämpfen, wogegen Widerstand zu leisten, Zivilcourage zu zeigen, in einer von Terror und Gestapo-Folter gottseidank freien Gesellschaft? Wichtige Themen, denen Gregor Stuhlpfarrer in seiner „Menschen und Mächte“-Dokumentation nachspürt.
Vor der Kamera sprechen Kinder des zivilen und militärischen Widerstands über ihre Prägungen im Elternhaus
... wie etwa der ehemalige „profil“-Herausgeber Peter Michael Lingens. Seine Mutter Ella Lingens half jüdischen Freunden und Familien zur Flucht und rettete so deren Leben. Sie flog als Fluchthelferin auf und wurde ins KZ-Auschwitz deportiert.
Zdravko Haderlap wiederum ist der Enkel einer Widerstandskämpferin in Südkärnten. Haderlap erzählt von seiner Großmutter, die nach ihrer Gefangennahme ins KZ-Ravensbrück deportiert wurde und seinem Vater, der sich als junger Bursch den Partisanen angeschlossen hat.
Andere Widerstandskämpfer wie etwa Karl Flanner aus Wiener Neustadt druckten heimlich Flugblätter, hatten stetig Angst vor der Einschleusung von Gestapospitzeln. Sie trafen sich daher oft im Geheimen, im Verborgenen und agierten auch unter Gleichgesinnten mit Decknamen. Sie betrieben Sabotage in Rüstungsbetrieben, hörten „Feindsender“, wagten das sogar an der Front.
„Rund 10.000 Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen sind insgesamt hingerichtet, in Lagern ums Leben gekommen oder von der Gestapo ermordet worden“
sagt die Historikerin Brigitte Bailer, ehemalige wissenschaftliche Leiterin des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW). Sie hat sich intensiv mit der Geschichte und dem Schicksal jener Menschen auseinandergesetzt, die sich bis 1945 gegen ein mörderisches Regime stellten und nach 1945 oft und lange nicht ausreichend dafür entschädigt wurden.
Den Dank der wiederauferstandenen Heimat in „rot-weiß-rot“ für mutiges Eintreten von Humanismus, Demokratie und Menschlichkeit gab es nicht
Eine große Enttäuschung für viele oft traumatisiert, von dauernder Repression, Gestapo- und KZ-Haft. „Ich war immer wieder mit Menschen konfrontiert, die Überlebende waren und mit denen ich Behandlungen durchgeführt habe,“ erzählt die Wiener Psychoanalytikerin Elisabeth Brainin. „Das Trauma ist nicht weg, die Erinnerungen werden auch nicht vergehen.“
Lange wurden Widerstandskämpfer als „Verräter“ verunglimpft
Und das, obwohl ihr Handeln für die Unabhängigkeit und Souveränität der Zweiten Republik eine wichtige Voraussetzung darstellt, fordert doch die Moskauer Deklaration von 1943 einen Eigenanteil der Österreicherinnen und Österreicher an der Befreiung vom NS-Terror. Daher ist auch der Jahrzehnte lang beinahe kriminalisierte Widerstand der Partisanen in Kärnten und der Steiermark, als „eigener Beitrag“ an dieser Befreiung zu sehen und damit auch ein wichtiger Indikator für den Staatsvertrag 1955.
„Gegen den Strom“ ist eine Spurensuche in der Vergangenheit, die dokumentiert, wie der Widerstand der Alten das Leben der Jungen bis zur Gegenwart geprägt hat.
Gestaltung
Gregor Stuhlpfarrer