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Skandal! Ist die Freiheit der Kunst in Gefahr?

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Gemälde werden abgehängt, Schauspielerinnen aus Filmen geschnitten, Museen von Empörungswellen in den sozialen Medien eingeschüchtert. Die Kunstwelt wird immer öfter angeprangert, sexistisch oder rassistisch zu sein. Hass-Mails und Drohungen, bis hin zum medialen Lynchmord sind für viele Kunstschaffende und Museumsleute keine Ausnahme mehr. Regisseurin Katrin Sandmann geht in ihrer Doku der Frage nach, ob sich jene Stimmen zu Recht Gehör verschaffen, die in Kunst und Gesellschaft zu lange ignoriert wurden. Oder ob gerade eine Art Zensur von unten entsteht? Eine Tyrannei des Twitter Mobs?

Hans-Peter Wipplinger, Direktor Leopold Museum Wien vor Schiele Akten
ORF/Kobalt Documentary GmbH/Daniel Waldkecker
Hans-Peter Wipplinger, Direktor Leopold Museum Wien vor Schiele Akten

Das Leopold Museum in Wien zum Beispiel bekommt Ärger wegen Nacktbildern. Vier Akte von Egon Schiele sollten das Publikum zum Diskurs über die Wiener Moderne anregen. Die Stadt wollte international für diese Ausstellung werben. Doch einige europäische Metropolen, lehnten die Werke des Expressionisten als Werbemotive ab. Schieles explizite und polarisierende Darstellung von Nacktheit sorgte auch 100 Jahre später für Aufregung und Provokation.

Achim Borchardt-Hume, Ausstellungsdirektor Tate Modern London
ORF/Kobalt Documentary GmbH/Daniel Waldkecker
Achim Borchardt-Hume, Ausstellungsdirektor Tate Modern London

Aufgrund geltender Werbevorschriften mussten in Hamburg, Köln und Londons U-Bahn die primären Geschlechtsmerkmale der Aktdarstellungen mit einem weißen Textfeld bedeckt werden. Die Frage „100 Jahre alt. Und noch immer zu gewagt?“ wurde vom Publikum in den sozialen Medien unter dem Hashtag #DerKunstihreFreiheit (#ToArtItsFreedom) ausgiebig diskutiert.

Mame-Fatou Niang, Dozentin und Autorin
ORF/Kobalt Documentary GmbH/Daniel Waldkecker
Mame-Fatou Niang, Dozentin und Autorin

In Haifa werden vor einem Museum Brandbomben gezündet, empörte Christen liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Grund: Jesus am Kreuz im McDonald’s-Kostüm.

Ein weiteres Empörungsobjekt hat Glubschaugen, überdimensionierte Lippen, reißende Zähne und hängt seit fast 30 Jahren an den Wänden der französischen Nationalversammlung: Ein Ausschnitt, der zu einem Bilderzyklus des Künstlers Hervé di Rosa gehört und die Höhepunkte der französischen Gesetzgebung darstellt. Hier in Form der Abschaffung der Sklaverei 1794. Die Darstellung sei rassistisch und unerhört, so die Entrüstung: „Die Bilder könnten auch aus Tim und Struppi im Kongo stammen.“

Hervé di Rosa – Künstler im Atelier, Lissabon
ORF/Kobalt Documentary GmbH/Daniel Waldkecker
Hervé di Rosa – Künstler im Atelier, Lissabon

Diese und weitere Auseinandersetzungen sind Grundlage der Dokumentation „Skandal! – Ist die Freiheit der Kunst in Gefahr?“. Immer mehr Gruppen klagen Beleidigung, kulturelle Aneignung, Rassismus und Sexismus in der Kunst an. Doch gibt das Gefühl der Beleidigung, das Gefühl, Opfer zu sein, den Betroffenen das moralische Recht, nach Zensur zu rufen und die Kunstfreiheit einzuschränken? Was geht da vor in der heutigen Kunstwelt? Wird moralische und politische Korrektheit gerade zum bestimmenden Kriterium in der Kunst?

Regisseurin Katrin Sandmann gibt spannende Einblicke in die verschiedensten Perspektiven dieser Debatte. Meinungen werden gegenübergestellt. Ohne Schwarz-Weiß-Malerei. Pointiert und durchdacht. Als Zuschauer gerät man zuweilen leicht zwischen die Fronten und wartet gespannt auf das nächste schlagende Argument.  

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