Europas dreckige Ernte - Das Leid hinter dem Geschäft mit Obst und Gemüse
Montag, 8.6.2020, 21.55 Uhr
Wh. Di 01.50 Uhr
Die Supermarktregale sind voll mit günstigem, frischem Obst und Gemüse. Der Umsatz erreichte 2017 den Rekordwert von 14,7 Milliarden Euro. Spanien exportiert die meiste Ware nach Deutschland. Auch Italien ist ein wichtiger Lieferant von Obst und Gemüse. Wie schaffen es die beiden Länder, so viel und so günstig zu produzieren?
Vanessa Lünenschloß und Jan Zimmermann begeben sich auf Spurensuche und verfolgen den Weg der Produkte von den Plantagen über die Zwischenhändler bis in unsere Supermärkte. Dabei decken sie in beiden Ländern katastrophale Lohn- und Arbeitsbedingungen auf. Sie zeigen, wie Menschen in Not regelrecht versklavt werden, und wie die italienische Mafia dabei mitverdient. Kontrollbehörden versagen, der Handel schaut weg. Und die EU unterstützt das ausbeuterische und menschenverachtende System mit millionenschweren Subventionen.

ORF/Telepool
Erntehelfer leben in Hütten aus Müll
Zehntausende Flüchtlinge und Migranten aus Afrika werden in der Landwirtschaft brutal ausgebeutet. Sie ernten in Spanien und Italien Obst und Gemüse, das in Deutschland zu Billigpreisen verkauft wird. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks erhalten Betriebe, die gegen Lohn- und Arbeitsschutzvorschriften verstoßen, sogar millionenschwere EU-Subventionen.
Die Erntehelfer kommen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Durch die hohen Flüchtlingszahlen steigt jedoch der Konkurrenzdruck und viele Landwirte und Grundbesitzer nutzen die Not der Arbeitssuchenden skrupellos aus.
Im spanischen Almeria, dem weltweit größten Obst- und Gemüseanbaugebiet mit Gewächshäusern, verdienen viele Erntehelfer nur 25 Euro am Tag, obwohl der Tariflohn rund 47 Euro als Minimum vorschreibt und die Arbeiter täglich bis zu 14 Stunden schuften. Neben den viel zu niedrigen Löhnen sind Verstöße gegen Arbeitsschutzauflagen, Betrug mit Sozialabgaben und Schikane zu beobachten. Die Tagelöhner klagen über den Einsatz von giftigen Spritzmitteln ohne Schutzkleidung. Dabei sind Ganzkörperschutzanzüge und eine spezielle Ausbildung für das Spritzen der Giftstoffe gesetzlich vorgeschrieben.

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Gewächshäuser Provinz Almeria
Gewerkschaften und Flüchtlingsorganisationen sprechen von „moderner Sklaverei“. Zehntausende Feldarbeiter leiden darunter. Sie leben in Slums ohne Wasser und Strom. In Spanien gibt es dutzende sogenannte Chabolas, in denen die Arbeiter in selbstgebauten Hütten aus Müll leben. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen machen die meisten Flüchtlinge körperlich und psychisch krank, berichten Ärzte und Hilfsorganisationen vor Ort.
In Italien organisieren zudem kriminelle Banden die Vermittlung der Feldarbeiter. Sogenannte Caporali rekrutieren die Arbeiter in Flüchtlingseinrichtungen oder auf Arbeiterstrichen, machen sie von sich abhängig und nehmen den Erntehelfern einen Teil des Lohns weg. In vielen Fällen steckt die Mafia dahinter, bestätigen Polizei und Staatsanwaltschaft. Vor allem der Mafia-Clan ’Ndrangheta verdient an der Ausbeutung.
Die Ware der kritisierten Landwirte und Anbaubetriebe landet in Deutschland, insbesondere in den Regalen der großen Supermarktketten. Nach den Recherchen sind Produkte aus Betrieben, die Arbeiter ausbeuten, in den Geschäften von Edeka, Rewe, Real, Penny und Lidl gefunden worden. Die Supermarktketten weisen die Verantwortung von sich. Auf Anfrage distanzieren sie sich von Arbeitsrechtsverletzungen und berufen sich auf das Zertifikat GobalG.A.P. Die Anbaubetriebe würden danach vor Ort auf Missstände kontrolliert. Da jedoch bereits in der Vergangenheit in zertifizierten Betrieben Probleme dokumentiert wurden, steht GlobalG.A.P. in der Kritik. Es handelt sich zudem um ein Label, das die Handelsbranche selbst finanziert.

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Illegale Zeltstadt in Italien
Film von Vanessa Lünenschloß und Jan Zimmermann
Dokumentation, 2018
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