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Der Wiener Jugendstil – Aufbruch in die Moderne

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Wien um 1900, eine Stadt der radikalen Kontraste. In den Arbeitervierteln verelendet ein Teil der Bevölkerung, im Zentrum der k.u.k.-Metropole aber weht ein neues Lüftchen – nein, es ist ein geradezu ein Sturm: Wissenschaft und Wirtschaft, Kunst und Kultur entfalten sich fast explosionsartig. „Ver Sacrum“ – heiliger Frühling – lautet der Titel der von der Wiener Secession herausgegebenen Zeitschrift und er treibt üppige Blüten, dieser Frühling. Ein Gutteil der Künstlerschaft hatte sich von den Fesseln des Historismus freigesprengt. Gustav Klimt wird zum ersten Präsidenten der Secession, der Jugendstil zur prägenden Kunstrichtung jener Jahre. Rudolf Klingohr erzählt in seiner Doku von der Zeit, als Wien den Weg in die Moderne beschritt – und von den meist jüdischen Mäzenen, die als Förderer und Auftraggeber Künstler und Künstlerinnen zu Weltgeltung verhalfen.

Die Secession
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Die Secession

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfolgte das Kaiserhaus eines seiner gigantischsten Prestigeprojekte: den Bau der Wiener Ringstraße, der „Via Triumphalis“ Habsburgischer Machtentfaltung. Mit der Schleifung der Stadtmauer wurde viel Bauland frei und dank einer geänderten Gesetzeslage konnten Juden hier Parzellen erwerben. Es sind finanzkräftige Industrielle oder Bankiers aus den Kronländern und aus Deutschland, die sich jetzt mit ihren Bauten im Stadtbild wiederfinden und zu den wichtigsten Financiers der Ringstraße werden.

Jungmann & Neffe
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Jungmann & Neffe

Die Familien Schey und Ephrussi zählen zu den prominentesten Investoren. Oder Karl Wittgenstein, ein ewiger Ausreißer und Schulabbrecher, der sich lieber als Barmusiker in New York verdingte, bevor er zum Industriellen, wichtigen Vertreter der Gründerzeit und Förderer der Künstler wurde. Waren die Palais und Repräsentationsgebäude der Ringstraße ganz dem Historismus verpflichtet, so brachen die Sezessionisten radikal mit der Tradition. Angelehnt am französischen art nouveau, wurde der Jugendstil Wienerischer Prägung zur bestimmenden Kunst- und Architekturrichtung.

Behind the scenes, Klimt hautnah,
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Behind the scenes, Klimt hautnah

Gustav Klimt malte Porträts seiner prominenten Auftraggeber, die deren Reputation beförderten. Josef Hoffmann gehörte zu den Architekten, die deren Eigenheime erbauten und sie mit seinen Designarbeiten aus der Wiener Werkstätte ausstattete. Heute sind diese Arbeiten teure Sammlerstücke oder als Exponate in den großen Museen der Welt zu sehen. Kontakte geknüpft wurden in den Salons umtriebiger Netzwerkerinnen wie Berta Zuckerkandl.

Berta Zuckerkandl
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Berta Zuckerkandl

Hinter der Förderung des Jugendstils durch jüdische Mäzene stand auch der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung. So ergab sich eine große Symbiose aus den Künstlern und Künstlerinnen der Secession und den wohlhabenden Familien des späten 19. Jahrhunderts. Die Akzeptanz jüdischer Großbürger und Industrieller blieb allerdings über weite Strecken bloßer Wunschtraum. Selbst in ihrer Hochblüte wurden viele von ihnen vom alten Establishment als „Parvenus“ ausgegrenzt. Erst recht die politische Agitation des antisemitischen Bürgermeisters Karl Lueger und das Aufkommen der Nazis ließen diese Erzählung im frühen zwanzigsten Jahrhundert abreißen.

Regie
Rudolf Klingohr

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